"Die meisten sterbenden Menschen sind unsagbar stark und können selbst in der Sterbesituation den Angehörigen noch einmal Kraft geben", sagt der katholische Klinikseelsorger Matthias Struth dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sterbende könnten meist deutlich machen, was sie brauchen. Am wichtigsten sei, dass "Sterbende nicht alleingelassen werden", fügt der Pfarrer und Buchautor ("Letzte Fragen. Was Sterbende wissen wollen") hinzu, der seit zehn Jahren am Universitätsklinikum in Frankfurt am Main tätig ist.
Viele seien in ihrer letzten Lebensphase dankbar für eine einfühlsame und offene Begegnung. Vielleicht könnten dabei auch "die Schätze des Lebens noch einmal gehoben und präsent gemacht werden". Dabei gehe es um ein "absichtsloses Angebot", das Aushalten der Situation, nicht immer um ein Miteinanderreden.
Der Sterbeprozess verlaufe in der Regel sehr leise und unspektakulär, sagt der 1970 geborene Struth. Die großen Fragen nach einem Weiterleben nach dem Tod oder Gott könnten bei manchen Menschen in dieser Lebensphase jedoch durchaus eine Rolle spielen. Viele hätten die Frage "Gibt es da noch mehr?" ihr Leben lang hintangestellt.
Es gebe auch Menschen, denen es wichtig ist, zu sagen, was sie noch belastet und quält. Diese Ängste müsse man zulassen und nicht aus guter Absicht wegreden. "Aber das ist wirklich ein sehr geringer Prozentsatz." Auch wer Dinge im Leben - verpasste Chancen, unerfüllte Träume oder ungelöste Konflikte - nicht bewältigen konnte, sei am Ende nicht selten dann doch versöhnt. Im Vordergrund stehe die Stille, "das Leben wird langsam weniger".
Aus seiner Sicht sei das Sterben zunehmend aus dem öffentlichen Raum herausgenommen worden, sagt Struth. Früher sei der Umgang mit dem Tod und dem Sterben stärker in eine Gemeinschaft eingebunden gewesen, etwa in einem Dorf: "Die Leute sind zu Sterbenden nach Hause gegangen. Der Tote wurde im Haus aufgebahrt." Dass Sterbende alleingelassen werden, habe er jedoch auch heute nie wirklich erlebt. Der engste Kreis der Familie oder professionelle Kräfte seien immer da.
"In der ersten (Corona-)Welle sind die Menschen, die mit dem Virus infiziert waren, sehr einsam gestorben."
Die Zeit der Corona-Pandemie bezeichnet Struth in diesem Zusammenhang als beispiellose Herausforderung: "In der ersten Welle sind die Menschen, die mit dem Virus infiziert waren, sehr einsam gestorben." Da sind Menschen ins Krankenhaus gekommen, die ihren Angehörigen entzogen wurden, sagt Struth: "Es war für die Angehörigen genauso schlimm wie für die Sterbenden selbst.
Traumatisch war es auch für die Mitarbeiter auf der Station." Später, in der zweiten Welle, konnten sich Angehörige wieder verabschieden. Die Schwerpunkte von Struths Arbeit sind die Seelsorge auf chirurgischen Intensivstationen und priesterliche Dienste im gesamten Klinikum. Der Ethikberater im Gesundheitswesen bildet zudem Ehrenamtliche für die Mitarbeit in der Seelsorge aus.