Mainz (epd). Das deutsche Gesundheitssystem hat nach Aussage von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gewaltige Herausforderungen zu bewältigen. Aufgrund jahrelang verschleppter Reformen stehe es vor einer „Zeitenwende“, sagte er am Dienstag bei der Eröffnung des 128. Deutschen Ärztetags in Mainz. In den kommenden Jahren würden dem Land 50.000 Ärztinnen und Ärzte fehlen. Dauerhaft immer mehr Mediziner aus anderen Ländern abzuwerben, statt selbst in deren Ausbildung zu investieren, sei kein Ausweg: „Das ist nicht ethisch, und kann so nicht weitergehen.“
Lauterbach versprach den anwesenden Vertretern der Bundesärztekammer eine Reform der Zulassungsregeln und einen Ausbau der Studienplätze. Um den Beruf attraktiver zu gestalten, warb er zudem für eine Entbürokratisierung der Medizin. „Wir haben im Gesundheitssystem eine Kultur des Misstrauens aufgebaut“, sagte Lauterbach. Es sei nicht richtig, dass jeder einzelne Krankenhausfall auf eine Fehlbelegung überprüft werde.
Dem deutschen Gesundheitswesen bescheinigte Lauterbach gravierende Fehlentwicklungen, bei der Lebenserwartung hinke Deutschland inzwischen anderen europäischen Ländern hinterher. In vielen Krankenhäusern fänden aus ökonomischen Zwängen eigentlich vermeidbare Behandlungen statt. Bei der medizinischen Forschung sei das Land abgehängt. Eine Reihe radikaler Reformen sei daher unabdingbar.
Der Präsident der Bundesärztekammer und Vorsitzende des Hartmannbundes, Klaus Reinhardt, forderte einen Gesundheitsgipfel im Bundeskanzleramt. Er warnte vor einer weiteren Kommerzialisierung des Gesundheitswesens. Auf Gewinnmaximierung ausgerichtete medizinische Versorgungszentren schadeten dem gesamten System. Profitgier dürfe niemals über dem Patientenwohl stehen.
Beim Deutschen Ärztetag beraten Vertreter der Ärzteschaft aus ganz Deutschland vier Tage lang über gesundheitspolitische Themen und Herausforderungen für den Beruf.