Göttingen (epd). Kurz vor der an diesem Wochenende angesetzten Präsidentschaftswahl in Russland hat die Gesellschaft für bedrohte Völker die Lage der Menschenrechte auf der besetzten Krim scharf kritisiert. Seit der Annexion des Gebietes vor zehn Jahren setze das Regime in Moskau dort „auf eine aggressive Politik der Russifizierung“, sagte die Osteuropaexpertin der in Göttingen ansässigen Menschenrechtsorganisation, Sarah Reinke, am Donnerstag. So seien 800.000 russische Staatsbürger auf der Krim angesiedelt worden, während etwa 50.000 indigene Krimtataren aus Angst vor Verfolgung flüchten mussten. Die Wahlen finden auch in den von Russland besetzten Gebieten der Ukraine und damit auch auf der Krim statt.
116 von 186 politischen Gefangenen von der Krim in russischer Haft seien Krimtataren, sagte Reinke weiter. 19 krimtatarische Journalisten seien seit 2014 verhaftet worden. 16 von ihnen säßen derzeit noch in Haft, häufig seien sie zu 14 oder 15 Jahren verurteilt worden. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine würden besonders krimtatarische Rechtsanwälte gezielt schikaniert. Vielen sei die Zulassung entzogen worden.
Zum zweiten Mal in der jüngeren Geschichte stehe für viele Krimtataren die Existenz ihrer Nation auf dem Spiel, erklärte Reinke. 1944 seien sie von der Roten Armee unter Stalin kollektiv deportiert worden, rund 44 Prozent der Deportierten seien ums Leben gekommen. Heute lebten sie „über die ganze Welt verstreut und versuchen verzweifelt, ihre Sprache, ihre Kultur und ihre Identität zu bewahren“. Die Krimtataren verstünden sich als Bestandteil der ukrainischen Gesellschaft. Sie zu fördern und ihre Initiativen zu unterstützen, sei auch eine Aufgabe für Deutschland - „nachdem die deutsche Politik sie vor zehn Jahren schutzlos den russischen Besatzern überließ“.