Theologe Körtner: Papst-Worte zum Ukraine-Krieg "politisch naiv"

Theologe Körtner: Papst-Worte zum Ukraine-Krieg "politisch naiv"
11.03.2024
epd
epd-Gespräch: Stephan Cezanne

Wien (epd). Der Wiener Theologe Ulrich Körtner hat die Aussagen von Papst Franziskus zum Ukraine-Krieg als „politisch naiv“ bezeichnet. Er habe da „den letzten Rest von moralischer Glaubwürdigkeit und Autorität verspielt“, sagte der Ordinarius für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Putin muss den Krieg verlieren, weil es nicht nur um das Schicksal der Ukraine geht, sondern weil auch das übrige Europa bedroht ist. Offenbar sieht der Papst nicht den Ernst der Lage.“

Franziskus hatte im Schweizer Fernsehsender RSI von einer Ermutigung zur „weißen Flagge“ gesprochen, was teils als Aufforderung an die Ukraine zur Kapitulation verstanden wurde. Der Direktor des vatikanischen Presseamtes, Matteo Bruni, sagte „Vatican News“, der Papst wünsche sich vor allem eine „diplomatische Lösung für einen gerechten und dauerhaften Frieden“. An anderer Stelle des Interviews habe er klargemacht, dass eine Verhandlung „niemals eine Kapitulation“ sei.

Franziskus habe schon von Anfang an in diesem Ukrainekonflikt relativierende Aussagen gemacht, kritisierte Körtner: „Er hat es nie wirklich vermocht, den Aggressor beim Namen zu nennen.“ Man könne in diesem Fall nicht nach allen Seiten hin ausgleichend sein: „Es geht hier wirklich um einen Angriffskrieg, bei dem die Ukrainer alles moralische Recht, auch das Völkerrecht auf ihrer Seite haben, sich zu verteidigen.“ Diejenigen, die von Anfang an zur Kapitulation aufrufen, auch auf evangelischer Seite, „die rufen eben dazu auf, sich einem imperialistischen Aggressor zu unterwerfen“.

Es falle zudem immer wieder auf, dass Franziskus auch gegenüber dem russischen Patriarchen von Moskau zurückhaltend ist, obwohl Kyrill sowohl Putin wie den Ukraine-Krieg unterstützt, beklagte Körtner. Es passe leider auch in dieses Bild, dass Franziskus auch an anderen Stellen eine so unklare Haltung einnimmt. Auch im Nahost-Konflikt konnte er „von Anfang an sich nicht dazu durchringen, eindeutig Ross und Reiter zu nennen“.

Auch wenn der Nahost-Konflikt sehr komplex sei und der Vatikan eine sehr komplizierte Geschichte mit Israel habe, sei es dem Papst immer nur darum gegangen, die Opfer auf allen Seiten zu beklagen, ohne die Ursachen zu benennen. Auch viele katholische Theologen beklagen Körtner zufolge, dass der Papst nicht ausreichend Solidarität mit Israel und dem jüdischen Volk zeige.

Der Papst habe als Oberhaupt der katholischen Kirche immer auch eine politische Rolle, unterstrich Körtner. Daher sei es umso schlimmer, dass Franziskus „politisch derart unbedarft und naiv agiert“. Er als Protestant müsse sich „wegen des Papstes fremdschämen“.