EU wehrt sich gegen Asylbewerber aus Balkanstaaten

EU wehrt sich gegen Asylbewerber aus Balkanstaaten
Sind Roma aus Serbien und Mazedonien in der EU asylberechtigt? In aller Regel nein, sagen die EU-Kommission und die deutsche Bundesregierung. Sie wollen die Menschen dazu bringen, die Reise gar nicht erst anzutreten.
25.10.2012
epd
Isabel Guzmán

Keine Schulen, keine Arbeit, drückende Armut - viele Roma in Serbien und anderen Balkanländern befinden sich in einer verzweifelten Lage. Das hat die EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström am Donnerstag in Luxemburg gegenüber den 27 europäischen Innenministern unterstrichen. Ein Recht auf Asyl in der EU hätten die allermeisten Menschen dennoch nicht, führte Malmström in ihrem Bericht an die Minister aus. Europa müsse vielmehr Finanzhilfe leisten, damit die Roma in ihrer Heimat besser integriert würden - während die Behörden auf dem Balkan konsequenter gegen Schlepperbanden vorgehen müssten.

Damit liegt die EU-Kommission auf einer Linie mit der deutschen Bundesregierung, die beunruhigt ist über eine steigende Zahl von Asylgesuchen. Im September hatten in Deutschland über 2.000 Menschen aus Serbien und Mazedonien Asyl beantragt. Im Oktober dürfte die Zahl wohl noch höher ausfallen. Innen-Staatssekretär Ole Schröder (CDU) sprach während des Ministertreffens in Luxemburg von einer "absurden Situation". Es sei inakzeptabel, dass die Asylsysteme zu Lasten von Flüchtlingen etwa aus Syrien und Afghanistan blockiert würden, sagte er.

Kritik an restriktiver Haltung der Bundesregierung

Die Bundesregierung will daher auf EU-Ebene erreichen, dass möglichst bald eine Rechtsklausel für eine vorübergehende Aufhebung der Visafreiheit für besonders problematische Länder geschaffen wird. Sie plädiert im Rahmen der derzeitigen Reformen des EU-Asylrechts auch für möglichst schnelle Asylverfahren. Dies könne etwa dadurch erreicht werden, dass Serbien und Mazedonien als sichere Herkunftsländer definiert würden, sagte Schröder. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) forderte in einem ARD-Interview, Asylsuchenden aus sicheren Ländern weniger Finanzhilfe zukommen zu lassen.

Allerdings reißt auch die Kritik an der restriktiven Haltung der Bundesregierung nicht ab. "Roma sind in Balkanstaaten massiver rassistischer Diskriminierung ausgesetzt, so dass ihnen ein menschenwürdiges Leben kaum möglich ist", unterstrich die Organisation Pro Asyl am Donnerstag. Der Vorstoß Friedrichs zur Kürzung der Leistungen sei verfassungswidrig, da sie das unterste Existenzminimum sicherten, warnte der Verband.

###mehr-artikel### "Friedrich stellt das Grundrecht auf Asyl in Frage", kritisierte die SPD-Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese in Berlin. Jeder Mensch, der sich politisch verfolgt fühle, habe das Recht auf Prüfung seines Einzelfalls, sagte sie. Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck warf Friedrich Populismus und "technokratische Kälte gegenüber den Ärmsten der Ärmsten" vor. "Mit etwa 30.000 Asylanträgen europaweit im Jahr sind wir von einem massenhaften Zustrom meilenweit entfernt", sagte die Europaabgeordnete Cornelia Ernst (Linke) in Straßburg. Die Europaabgeordnete Barbara Lochbihler (Grüne) sprach sich gegen eine Aufhebung der Visafreiheit für die Balkanländer aus, da dies auch Geschäftsleute und Studenten treffe.

Die EU-Beratungen zu diesem Thema dürften sich ohnehin noch länger hinziehen. Die EU-Kommission hatte zwar schon 2011 einen Gesetzentwurf vorgelegt, der in allgemeiner Form einen Mechanismus für solche Fälle vorsieht. Die EU-Regierungen, das Europaparlament und die Kommission haben aber bisher noch keine Einigung erzielt.

Nach Angaben von Diplomaten ist derzeit weniger die Visapflicht an sich der Streitpunkt - vielmehr geht es um die Frage, wieviel Mitsprache das Europaparlament bei der Anwendung der Klausel erhält. Möglich ist laut den Diplomaten, dass es Anfang 2013 zu einer Einigung kommt und die Klausel im Herbst 2013 zum Einsatz kommen kann.