Wiesbaden (epd). Die Klimaerhitzung erzwingt nach Auskunft von Fachleuten eine Umstellung im Obst- und Weinanbau. Die mittlere Temperatur sei seit 1990 exponentiell im Steigen begriffen, sagte Jan Reustle von der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau in Weinsberg bei Heilbronn. Dies habe dazu geführt, dass der Reifebeginn des Weins im Vergleich zwischen 1979 und 2019 nun drei Wochen früher stattfinde, sagte er am Mittwoch auf einer Online-Konferenz zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Die Konferenz wurde ausgerichtet von den Klimakompetenzzentren der Bundesländer Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Thüringen.
Die frühere Reife des Weins und die stärkere Hitze führten zu Qualitätseinbußen beim Wein, erklärte Reustle. Aromastoffe bildeten sich eher in kühlen Nachttemperaturen, und die höhere mikrobakterielle Aktivität bis hin zur Fäule schade den Trauben. „2075 werden Sorten, die früh gelesen werden, wegen des Klimawandels ungeeignet sein“, sagte Reustle. Dazu gehörten weit verbreitete Sorten wie der Müller-Thurgau, Silvaner, Grau- und Weißburgunder, Sauvignon blanc, Dornfelder oder Regent. Weinbauern müssten auf Sorten aus südlichen Ländern umsteigen, wie auf den Cabernet Cubin, Cabernet-Sauvignon, Nebbiolo, Sangiovese oder Marselan.
Auch die Blüte der Apfelbäume findet nach den Worten von Reustle im Vergleich zwischen 1962 und 2020 drei Wochen früher statt, nun Mitte April. Damit steige das Risiko, dass die Blüte von Spätfrösten getroffen werde und es keine Früchte gebe. Tatsächlich seien die Frostschäden in den vergangenen 20 Jahren deutlich häufiger vorgekommen als zuvor. Obstlandwirte müssten sich Maßnahmen des Frostschutzes überlegen oder einen Wechsel der Sorten. Gegen die Erhitzung müsse die Wasserspeicherung der Böden erhöht werden, etwa durch Begrünung, Abdeckung von Böden oder die Anlage von Bewässerungsteichen. Auch die Verschattung durch Photovoltaik-Anlagen zwischen Obst- und Rebenreihen zeige positive Ergebnisse bei den Früchten.