Wiesbaden, Berlin (epd). Frauen haben nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im vergangenen Jahr durchschnittlich 18 Prozent weniger pro Stunde verdient als Männer. Der Großteil der Verdienstlücke beruhe darauf, dass Frauen häufiger als Männer in Branchen, Berufen und Anforderungsniveaus arbeiten, in denen schlechter bezahlt wird, teilte die Statistikbehörde am Dienstag in Wiesbaden anlässlich des Equal Pay Day mit. Neue Daten zeigen zudem, dass Frauen auch bei den Bonuszahlungen im Nachteil sind. Forscher, Arbeitgeber und Parteienvertreter riefen die Bundesregierung zum Handeln auf.
Eine wesentliche Ursache für die Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern ist den Angaben der Statistiker zufolge die höhere Teilzeitquote von Frauen. Während Männer 2023 im Monat 148 Stunden einer bezahlten Arbeit nachgingen, waren es bei Frauen nur 121 Stunden. Auch in der Erwerbsbeteiligung gebe es Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Aktuelle Zahlen zur Erwerbstätigkeit aus dem Jahr 2022 zeigten, dass 73 Prozent aller Frauen einer bezahlten Arbeit nachgingen. Bei den Männern waren es 80,5 Prozent.
Für Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, ist der Gender Pay Gap auch das Ergebnis einer sehr unfairen Verteilung von unbezahlter Sorgearbeit. „Das unzureichende und zudem unzuverlässige Betreuungsangebot in Kitas und Schulen verschärft die Situation zusätzlich und schafft keine guten Voraussetzungen für eine egalitäre Verteilung der Sorgearbeit.“
Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern existiert nach Berechnungen des Münchner ifo Instituts in Deutschland, Österreich und der Schweiz auch bei Bonuszahlungen, nicht nur beim Grundgehalt. In Deutschland bekommen Frauen bei Bonuszahlungen durchschnittlich 6,1 Prozent weniger, wie am Dienstag vorgestellte Analysen des ifo Instituts und der Unternehmensberatung Mercer für über 270 Unternehmen in den drei Ländern zeigen. In Österreich beträgt die Lücke zwischen Männern und Frauen 7,2 Prozent. Die Unternehmen in der Schweiz zahlen Frauen durchschnittlich 5,2 Prozent weniger Bonus.
Die Linke erklärte, Frauen verbrächten mehr als doppelt so viel Zeit mit den Kindern als Männer. Arbeitszeitverkürzung und die Einführung einer 4-Tage-Woche wären „ein wichtiger Schritt hin zu mehr Gleichberechtigung“. Gebraucht werde ein Entgeltgleichheitsgesetz, „das auch kontrolliert wird, damit es wirksam werden kann“. Die FDP betonte, zur Entgeltgerechtigkeit gehörten auch faire Steuermodelle und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. "Die bundesweite Umsetzung der Ganztagsschule und eine flächendeckende, gute frühkindliche Betreuung sind ebenfalls wichtige Bestandteile, um besonders Frauen berufliche Wahlfreiheit zu ermöglichen und letztlich die Erwerbstätigkeit von Frauen zu stärken.
Die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) erklärte, bestehende Verdienstunterschiede müssten an ihrer Wurzel gepackt werden. „Noch immer sind Frauen seltener in MINT-Berufen tätig und häufiger in Branchen mit schlechteren Verdienstaussichten.“ Oft trage der Staat durch unterlassenes Handeln zur Verfestigung der Ursachen bei, hieß es: „Die Kritik an Lohnunterschieden von Männern und Frauen trifft daher vor allem ihn.“
Der sogenannte Gender Pay Gap gilt als der zentrale Indikator für Verdienstungleichheit zwischen Frauen und Männern. Diese ist den Statistikern zufolge jedoch nicht nur auf Bruttostundenverdienste begrenzt. Auch Phasen der Teilzeitarbeit oder Zeiten ohne Erwerbstätigkeit wirken sich langfristig auf die Verdienste aus.