Darum liegen Kirche und Bauern im Clinch

Erntekrone hängt im Kirche
epd-bild/Jens Schulze
Nach der Getreideernte wird aus dem letzten Schnitt traditionell eine Erntedankkrone geflochten. In Bayern blieben beim letzten Fest einige Kirchen ungeschmückt.
Auf der "Grünen Woche 2025"
Darum liegen Kirche und Bauern im Clinch
Noch Monate nach Veröffentlichung der Studie der Deutschen Bischofskonferenz zur ethischen Landnutzung ist der Ärger über die darin enthaltenen Vorstellungen bei den Bauern und Bäuerinnen nicht verflogen. evangelisch.de Mitarbeiter Thomas Klatt mit Stimmen von der Grünen Woche.

Christentum und Landwirtschaft, Bauern und Kirchengemeinden sind seit jeher eng miteinander verbunden. Jahr für Jahr feiert man das Erntedankfest. Die Landfrauen schmücken die Kirche und gemeinsam dankt man Gott für die gute Ernte. Doch beim letzten Mal war alles anders. Bayrische Bäuerinnen mochten den Pfarreien nicht mehr ihre prächtigen Erntekronen zur Verfügung stellen.

Manche dachten sogar lautstark über Kirchenaustritt nach.Grund dafür ist eine Studie im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), die im September 2024 veröffentlicht wurde: "Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität: Ethische Perspektiven für die globale Landnutzung". Erstellt wurden die 76 Seiten von der Sachverständigengruppe Weltwirtschaft und Sozialethik der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz. Und auch die Evangelischen machen Druck. Auf der diesjährigen "Wir haben es satt"-Demonstration anlässlich der Grünen Woche in Berlin rief die Diakonie erneut zu einer ökologischen Wende in der Landwirtschaft auf. Viele Bauern fühlen sich nun in die Ecke gedrängt.

"Los ging es so kurz vor Erntedank damit, als dieses Papier veröffentlicht wurde, wie Kirche die Landwirtschaft sieht", erinnert sich Landesbäuerin Christine Singer vom Bayrischen Bauernverband an den Herbst letzten Jahres. Und weiter: "Viele Bäuerinnen und viele Landfrauen schmücken die Erntealtäre oder bringen sich etwa bei den Fürbitten in die Gottesdienste ein. Jetzt aber sagen sie: Wir stellen nicht mehr die Dekoration zur Verfügung. Wir machen nicht mehr diese ehrenamtliche Tätigkeit." 

"Die Politik hat uns mit Vorgaben in eine Ecke gedrängt. Und jetzt fängt auch noch die Kirche an. Die Bauern sind da inzwischen sehr empfindlich. Das verletzt uns schon sehr, wenn man uns immer mitteilt: Ihr zerstört unsere Lebensgrundlage", sagt Singer. Die bayrische Landesbäuerin betreibt mit ihrer Familie einen Milchviehbetrieb im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Nun in der katholischen Studie lesen zu müssen, bei der Landwirtschaft gehe es auch um Artenschutz und Biodiversität, weil die Gemeinwohlorientierung im Vordergrund stehen müsse, macht sie wütend: "Gemeinwohlorientierung? Heißt das jetzt, dass ich meinen Betrieb, der in der siebten, achten, neunten Generation in meiner Familie ist, der immer so nachhaltig bewirtschaftet wurde, dass die nächste Generation weitermachen kann, heißt das jetzt, ich muss den zur Verfügung stellen? Wir sind stolz drauf, dass wir Leistungen für das Gemeinwohl erbringen."

Landesbäuerin Christine Singer fühlt sich verletzt durch die Aussagen der Studie

So ähnlich sieht das auch Gerald Dohme, Kirchenreferent beim Deutschen Bauernverband am Stand auf der Grünen Woche. Auch er hält den Gemeinwohlbegriff für vage. Denn wenn deutsche Landwirte mit ihrer fachlichen Kompetenz qualitativ hochwertige Nahrungsmittel produzieren, käme doch genau das der Allgemeinheit zugute. "Wir sehen in dem Papier einen Eingriff in die Freiheit landwirtschaftlicher Produzenten. Unsere Bäuerinnen und Bauern werden nicht neutral beurteilt, sondern man legt einen sehr starken Fokus auf eine Wirtschaftsform wie ökologisch-biologisch. Man nimmt sehr stark Biodiversitätsthemen in den Fokus. Wir verstehen darin eine Übergriffigkeit", sagt Dohme.

Denn die scheinbar einfache Betrachtung öko gleich gut, konventionell gleich schlechter entspreche einfach nicht den Tatsachen. So müsse beispielsweise bei der Bodenbearbeitung genau geschaut werden, was sinnvoll sei. Wenn man nicht mehr pflügt, diene das dem Humusaufbau. Dann aber wachse der Unkraut-Druck und vermindere die Erträge. Dagegen helfe nun wieder der Einsatz von Herbiziden. Was aber nun der richtige Weg sei, müsse jeder Landwirt selbst entscheiden und nicht eine bischöfliche Kommission.

Kirche will Bauernschaft beruhigen

Auch seien durch die Studie die bisherigen Eigentumsverhältnisse in Frage gestellt. Bauernland müsse aber Bauernland bleiben, fordert Dohme: "In Deutschland ist zum Glück sehr klar eigentumsrechtlich geregelt, dass der Besitz bei den Betrieben liegt, sowohl bei Eigentumsflächen als auch im Pachtland." Nun versucht die Kirche die aufgebrachten Bauern zu beruhigen. Die Pressestelle der Deutschen Bischofskonferenz hat dazu eine Stellungnahme veröffentlicht: Auf keinen Fall solle Privateigentum an Grund und Boden in Volkseigentum überführt werden. Auch gehe es nicht darum, Bauern unter Generalverdacht zu stellen. Die Studie fordere aber eine "Landnutzungswende". Es gehe nicht nur um die Produktion von Lebensmitteln, sondern auch um den Schutz des Bodens als ein ökologisches Gemeingut. Landwirte müssten das aber nicht zum Nulltarif erledigen. Vielmehr sollen sie für ihre landschafts- und umweltpflegenden Leistungen mehr finanzielle Honorierung erhalten, etwa für mehr Blühstreifen oder die Wiedervernässung von Mooren. Dafür müssten nun auch die EU-Richtlinien angepasst werden.

Richtig sei aber, dass die Studie zwischen dem Stück Land, das als privates Gut genutzt und weiterverkauft werden kann und dem davon nicht abgrenzbaren Gesamtsystem Boden unterscheidet. Letzteres sei mit Blick auf seine Funktionen als Grundwasser- und CO2-Speicher sowie als Biodiversität ermöglichender Lebensraum als Gemeingut zu betrachten. Darauf müsse auch die Landwirtschaft Rücksicht nehmen. Die DBK-Pressestelle betont aber, dass das Papier keine offizielle Stellungnahme der Bischofskonferenz sei, sondern lediglich eine Expertenmeinung im Auftrage der Bischofskonferenz. Doch in der Sachverständigengruppe Weltwirtschaft und Sozialethik sitzen keine konventionell arbeitenden Landwirte. Und die fühlen sich von der Kirche ausgegrenzt.

Was ist mutige Agrarpolitik?

Denn auch die evangelische Diakonie hat mit ihrer Demo auf der Grünen Woche in Berlin erneut ähnliche Töne angeschlagen und eine "Zeit für mutige Agrarpolitik!" gefordert. Umfragen und Kaufverhalten zeigten, dass vielen Menschen Tierwohl und Klimaschutz wichtig seien. Zusammen mit rund 60 weiteren Organisationen erwartet die Diakonie von der künftigen Bundesregierung ein zuverlässiges Bekenntnis und eine ambitionierte Förderung für eine bäuerlich-ökologischere Landwirtschaft. 

Die bayrische Landesbäuerin Christine Singer warnt aber, dass die Kirchen nun vor lauter Übereifer die konventionellen Landwirte nicht in die Ecke drängen dürften. Zumal diese zu den treuesten Kirchenmitgliedern zählen würden. "Wir Bäuerinnen und Bauern sind mit der Schöpfung besonders verknüpft. Wir sehen uns als Teil der Kirche. Wir sind nicht die Berufsgruppe, die am häufigsten aus der Kirche austritt. Wir stehen zum Dialog mit der Kirche bereit", sagt Singer.

Isabel Rutkowski ist Bundesvorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung Deutschlands.

Nun sind katholische Bischöfe um Schadensbegrenzung bemüht. In zahlreichen Gesprächen mit konventionell arbeitenden Landwirten haben sie in den letzten Monaten betont, dass es auf keinen Fall um Bauern-Bashing gehen soll. Die umstrittene Studie aber wurde bislang nicht zurückgezogen. Und das sei auch gut so, sagt Isabel Rutkowski, Bundesvorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung Deutschlands KLJB auf der Grünen Woche:  "Wegschmeißen würde ich das Papier nicht, aber es braucht eine klare Haltung, jetzt von der Kirche selbst zu handeln. Das stärkt die Glaubwürdigkeit der Kirche."

 

Denn beide Kirchen besitzen große Flächen, die sie auch verpachten. Das, was sie von den Bauern an Landschaftspflege und Biodiversität verlangen, müssten sie beispielgebend zuerst selbst leisten. Ob nun öko oder konventionell, gemeinsam solle man nun nach der besten Bodenbearbeitung suchen.

"Unserer Meinung nach hilft diese Polarisierung zwischen konventionell und öko oder klein gegen groß überhaupt nicht. Wir haben in Baden-Württemberg oder Bayern eher kleinbäuerliche Strukturen. Dann haben wir in Norddeutschland eher große Flächen. Wir haben unterschiedliche Bodengegebenheiten. Das müssen wir alles anerkennen. Es gibt da nicht die eine Lösung, sondern es gibt verschiedene Ansätze", sagt Rutkowski. Also müsse die katholische Studie "Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität: Ethische Perspektiven für die globale Landnutzung" nicht verdammt, sondern weiterentwickelt werden, fordert sie: "Es ist unfassbar wichtig, dass wir diese Themenbereiche Klimaschutz und Landwirtschaft zusammen denken. Die Debatte selbst muss gesamtgesellschaftlich für alle geführt werden."