"Durchsetzungsfähigkeit, 'Auf den Tisch hauen', um Macht und Stärke zu beweisen, 'klare Ansage machen' - im politischen Raum stehen die Trumps, Orbans, Putins, Musks und Mileis dieser Welt dafür", sagt die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Entwicklung sei ein Zeichen von Verunsicherung, so die Theologin.
"Derzeit ist so vieles belastend, die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, die Klimakatastrophe, in unserem Land Zuwanderung und Wohnungsnot - da gibt es bei manchen wohl so eine 'Papa wird’s schon richten'-Mentalität", erklärt die frühere hannoversche Landesbischöfin. In Anlehnung an den Theologen und Sozialpädagogen Friedrich Siegmund-Schultze (1885-1969) appelliert Käßmann an die Menschen, "sich nicht in Verantwortungslosigkeit hineinschläfern" zu lassen.
"Frauen und Männer, Junge und Alte, politisch unterschiedlich positionierte Menschen sollten gemeinsam ringen um die richtigen Wege in die Zukunft", sagt die Theologin. Auch wenn das herausfordernd sei, so bleibe doch Demokratie eine großartige Staatsform. Käßmann zeigte sich besorgt angesichts des Trends der sogenannten "Tradwives". Wenn Frauen "traditionelle Ehefrauen" sein wollten, "die ganz und gar dem Manne untertan sind, kein eigenes Konto mehr haben, sich absolut auf die Familie konzentrieren, ohne berufstätig zu sein, ist das ein unfassbarer Rückschritt, den die rechtspopulistischen Parteien propagieren".
Nicht auf Rollenzuschreibungen festlegen
Um dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen, sei es wichtig, "selbstbewusst Partnerschaften auf Augenhöhe" zu leben. Es gehe darum, dass Männer wie Frauen sich frei machten von Vorgaben, wie sie zu leben und sich öffentlich darzustellen hätten, damit sie ihre Potenziale wirklich entfalten könnten. "Auf jeden Fall lebe ich gern in einer Gesellschaft, die mich nicht festlegt auf Rollenzuschreibungen, wie ich zu sein habe."
Eine "Remaskulinisierung" der Gesellschaft nimmt Käßmann nicht wahr. "Dafür sehe ich viel zu viele junge Männer, die sich vom Macho-Typus längst verabschiedet haben." Sie definierten sich nicht mehr über Kraft, Stärke und Herrschaftsdenken, sondern versuchten, eine Work-Life-Balance zu finden. Sie kümmerten sich als Väter ganz anders um ihre Kinder, als Generationen zuvor und empfänden das als Gewinn von Lebensqualität.