Für Matthias Schwarz, Mitglied im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) geht es nach der Studien-Veröffentlichung nun um verbindliche Standards bei der Anerkennung und der Arbeit der Anerkennungskommissionen sowie Änderungen im Disziplinarrecht. Schwarz war Pfarrer der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und ist selbst von Missbrauch betroffen.
"Wir von der Betroffenenvertretung haben die Ergebnisse fast mit Genugtuung aufgenommen", sagt der Pfarrer im Ruhestand. "Wir haben immer gesagt, wir sind keine Einzelfälle, sondern es ist ein weit verbreitetes Phänomen", fügt Schwarz hinzu. Das mache die hohe Zahl von Tätern, die mehrere Kinder und Jugendliche missbraucht haben, deutlich.
Am Donnerstag hatte der interdisziplinäre Forschungsverbund zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland (ForuM) seine Studie vorgelegt. Die Forschenden fanden mindestens 2.225 Betroffene und 1.259 mutmaßliche Täter. Schwarz hat an der ForuM-Studie mitgearbeitet und sich mit "Täter-schützenden Strukturen" der Kirche und Diakonie beschäftigt.
Schwarz sieht ein "theologisches Problem", da das sogenannte "Priestertum aller Gläubigen", das auf den Reformator Martin Luther zurückgeht, im Alltag nicht gelebt werde. "Es gibt immer noch ein Machtgefälle zwischen Personen, die im kirchlichen Dienst sind, und den ihnen anvertrauten Menschen", so der Theologe, der zudem kritisiert, dass die Betroffenen an der Gestaltung der Studie nicht beteiligt waren.
Den Vorwurf der Wissenschaftler, dass Landeskirchen die Personalakten nicht zur Einsicht vorgelegt hätten, sieht er kritisch: "Die hessen-nassauische Kirche ist zum Beispiel nie nach Personalakten gefragt worden", sagt er. Als Betroffenenvertreter in der Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt der EKHN sei es ihm nun wichtig, dass zum Thema Missbrauch "Sprachfähigkeit bis in die kleinste Kirchengemeinde erreicht wird". Es müsse "eine Sensibilität entstehen, die es Betroffenen ermöglicht, zu reden". Er begrüße das in dieser Woche freigeschaltete online Melde-Portal der EKHN. Dort könne man sich anonym melden und bekomme Informationen und Hilfen angeboten.