Dass die ARD diese Komödie mit dem Titelzusatz "Familie kann nie groß genug sein" versehen hat, ist vor allem der Perspektive zu verdanken: Die achtjährige Nina ist zwar nicht die Hauptfigur von "Abenteuer Weihnachten", sorgt aber für den zündenden Funken, der den Motor der Handlung in Gang setzt. Die beginnt mit einer Rückblende ins letzte Jahr, als sich eine vielköpfige Münchener Familie im Tiroler Gasthof der Großmutter eingefunden hat, um gemeinsam Weihnachten zu feiern. Chaos lag schon damals in der Luft, aber die Oma (Inge Maux) sorgte dafür, dass alles friedlich blieb; von ihr stammt auch die Familienmaxime, die sie Nina mit auf den Lebensweg gegeben hat.
Knapp zwölf Monate später ist alles anders. Die Großmutter lebt nicht mehr, die Sippe ist heillos zerstritten, weshalb Jerry (Juergen Maurer), das patriarchale Zentralgestirn, die Konsequenzen ziehen und samt dritter Frau (Sarah Bauerrett) sowie Stieftochter Nina in Richtung Malediven entfliehen will; selbstredend ohne die Mischpoke. Prompt ist das Mädchen untröstlich, weshalb Jerrys ältester Sohn, Jeremy (Liam Noori), den Erwachsenen eine Lektion erteilen will: Heimlich machen sich die sechs Kinder mit Papas Kreditkarte aus dem Staub, um Weihnachten wie im vergangenen Jahr im verwaisten Gasthof zu verbringen. Die egozentrischen Eltern sollen die Zeit nutzen, um darüber nachzudenken, warum die Jungen keine Lust mehr auf die Alten haben.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Das ist ein origineller Handlungsrahmen, der sich mit allerlei denkwürdigen Begebenheiten füllen und auf eine Tragikomödie mit Anspruch hoffen lässt. Das Ergebnis ist zwar eher heiterer denn nachdenklicher Natur, aber das muss natürlich nicht verkehrt sein. Allerdings wirkt die Geschichte recht konstruiert, was nicht an den Ereignissen, sondern am Entwurf der Figuren liegt. Weil sich der Film auf die Eltern konzentriert, kommen die Kinder im Grunde bloß als Gruppe vor. Auch damit ließe sich leben, wenn die Erwachsenen etwas weniger klischeehaft wären: Bauunternehmer Jerry ist ein Misanthrop, für den die Familie stets erst an zweiter Stelle kam. Da seine Firma kurz vor der Pleite steht, droht er alsbald mit gänzlich leeren Händen dazustehen. Ex-Gattin Nummer eins, Andrea (Maria Furtwängler), hat ihn zugunsten von Nicole (Dennenesch Zoudé) verlassen. Andrea schreibt Lebensratgeberbücher, ist aber offenkundig nicht vom Fach, sonst würde sie nicht Platzangst sagen, wenn sie Klaustrophobie meint. Die beiden Frauen wollen noch mal Mutter werden, was angesichts ihres fortgeschrittenen Alters (Furtwängler und Zoudé sind Jahrgang 1966) ziemlich sportlich erscheint. Feuererwehrmann Horst (Leo Reisinger) ist offenkundig in erster Linie wegen seiner körperlichen Vorzüge als Samenspender auserkoren worden, möchte jedoch nicht auf diese Funktion reduziert werden. Paar Nummer drei (Pegah Ferydoni, Manuel Rubey) befindet sich in einer Beziehungspause und entspricht noch am ehesten der Lebenswirklichkeit des Publikums: Shirin, Jerrys Ex-Frau Nummer zwei, ist Krankenschwester, Till einer jener Männer, die ständig neue, aber meist wenig lukrative Geschäftsideen haben.
Die Dialoge sind zwar wie stets bei Drehbüchern von Martin Rauhaus ein Vergnügen, aber lustiger sind die diversen Missgeschicke, erst recht, wenn sie sich mit Ansage ereignen: Bis zur nächsten Tankstelle reiche das Benzin locker, verkündet Jerry; selbstverständlich bleibt das Auto kurz drauf stehen. Till ergeht es kaum besser, als er mit Sommerreifen ins tief verschneite Tirol fährt. Davon abgesehen ist er von den Eltern der einzige, der Verständnis für die Aktion des Nachwuchses hat. Immerhin gibt es noch einen weiteren Erwachsenen mit einem Herzen für Kinder: Erst macht der alte Kroizleitner (Martin Leutgeb) das Versteckspiel mit, dann sorgt er als Retter in höchster Not dafür, dass die Geschichte nicht als Tragödie endet.
Weihnachten im Kreis der Familie, heißt es mehrfach, sei "wie ein schönes warmes Gefühl im Bauch". Diesen Effekt erreicht der Film allerdings nur bedingt, zumal die Dialoge der Kinder mitunter aufgesagt klingen. Die beiden früheren Weihnachtsfilme der österreichischen Regisseurin Mirjam Unger, "Alle Nadeln an der Tanne" (2020) und "Schrille Nacht" (2022), wirkten nicht nur stimmiger, sie waren auch deutlich origineller.