Caritas: Leben in Kuba von Mangel bestimmt

Caritas: Leben in Kuba von Mangel bestimmt
07.12.2023
epd
epd-Gespräch: Philipp Gerber

Frankfurt a.M. (epd). Das Leben in Kuba ist laut dem Leiter von Caritas international, Oliver Müller, vor allem von Mangel bestimmt. Aufgrund der gravierenden Wirtschafts- und Energiekrise wirke die Karibikinsel „wie herunter gedimmt, es gibt kaum Verkehr aus Mangel an Treibstoff, die Straßen sind spärlich beleuchtet“, sagte Müller dem Evangelischen Pressedienst (epd) nach einem Besuch auf Kuba. Der Alltag der Bevölkerung sei geprägt von Stromausfällen und fehlenden Grundnahrungsmitteln. „Die Unzufriedenheit nimmt massiv zu.“

„In vielen Gesprächen wurde mir klar, dass Kuba heute ein Land ist, in dem vor allem junge, gut ausgebildete Menschen für sich keine Zukunft mehr sehen“, sagte der Leiter der Hilfsorganisation, die seit mehr als 20 Jahren in dem Karibikstaat Seniorinnen und Senioren, Menschen mit Behinderung und benachteiligte Frauen unterstützt. Die Krise sei darauf zurückzuführen, dass neben dem jahrzehntelangen US-Wirtschaftsembargo nun auch Venezuela seine Öllieferungen zum Vorzugspreis zurückgefahren habe.

Die landwirtschaftliche Produktion sei in diesem Jahr auf einen Tiefststand gefallen. Der Mangel an Saatgut und Dünger werde durch fehlenden Treibstoff für landwirtschaftliche Geräte verstärkt. „So sieht man heute wieder, wie Bauern mit dem Ochsengespann ihre Felder pflügen“, sagte Müller. „In der Folge kann der Staat die Bevölkerung nicht mehr mit genügend Grundnahrungsmitteln versorgen.“

Der herrschende Devisenmangel habe zudem dramatische Auswirkungen im Gesundheitswesen, erläuterte der Caritas-Leiter. Kuba habe eine beachtliche pharmazeutische Industrie, doch fehle es an Geld, um die notwendigen Ausgangsstoffe zur Medikamentenproduktion einzukaufen. „Ich habe in verschiedenen Landesteilen mehrere Apotheken besucht, ihre Regale sind so gut wie leer.“ Zudem verdienten kubanische Ärzte mit ihrem Monatslohn von umgerechnet rund 30 Euro nicht genug zum Leben.

Kubas sozialistische Regierung unter Präsident Miguel Díaz-Canel könne heute das Versprechen eines kostenfreien Gesundheits- und Bildungssystems und der Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln „nur noch beschränkt“ erfüllen. Als politisches Mittel habe sich die US-Blockade allerdings als weitestgehend wirkungslos gezeigt. Die sozialistische Regierung Kubas sei nicht gestürzt worden, ganz im Gegenteil trieben die Sanktionen die Insel in die Arme anderer Großmächte.

Deshalb macht der Politikwissenschaftler und Theologe Müller bei der Beurteilung der US-Sanktionen „ein großes Fragezeichen, ob diese politisch, wirtschaftlich und aus einer Menschenrechtsperspektive gerechtfertigt sind“. Ein Wandel könne vielmehr durch Kooperation und Handel angestoßen werden, betont er. Die Verbesserung der prekären Lebensbedingungen auf Kuba sei auch eine zentrale humanitäre Aufgabe der Weltgemeinschaft.