Wiesbaden (epd). Eine Frau kann einem neuen Beziehungspartner seine Neigung zur Gewalt laut einer Expertin nicht ansehen. Doch sie kann nach Auffassung der Politikwissenschaftlerin Regina-Maria Dackweiler Warnsignale erkennen. „Etwa wenn sie mit ihrem neuen Freund ausgeht und dieser immer wieder Männer am Nebentisch aggressiv anpöbelt 'Was glotzen Sie meine Freundin so an?', dann sollte sie das nachdenklich stimmen“, sagte die Wiesbadener Hochschullehrerin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auch Freunde könnten, bevor es zur körperlichen Gewalt komme, entsprechende Hinweise erkennen und sollten einschreiten. „Wir dürfen nicht wegsehen“, sagte Dackweiler.
Partnerschaftsgewalt werde in allen sozialen Schichten ausgeübt. „Auch Professoren schlagen ihre Frauen.“ Ein Anstieg von Gewalttätigkeit sei in Beziehungen zu beobachten, in denen die Frauen den Männern finanziell oder in der Bildung überlegen seien. „Gefährlich wird es für die Frauen, wenn Männer dies als eine Bedrohung wahrnehmen und ihren Dominanzanspruch in Gefahr sehen“, sagte die Wiesbadener Wissenschaftlerin.
Laut Bundeskriminalamt (BKA) haben die Fälle von Gewalt in Paarbeziehungen deutlich zugenommen. Die Polizei registrierte 2022 im Durchschnitt 432 Fälle solcher Delikte pro Tag - fast zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor. 80 Prozent der Gewaltopfer waren demnach Frauen.
Der Ausübung körperlicher Gewalt gehen in der Regel andere Gewaltformen voraus, wie die Wissenschaftlerin an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden erläutert. Männer versuchten, die sozialen Kontakte ihrer Partnerinnen zu kontrollieren und sie sozial zu isolieren. Auch Herabsetzungen und gezielte Demütigungen könnten physischer Gewalt vorausgehen.
Dackweiler appellierte auch an Freunde der Opfer von Partnergewalt: Wenn sie erlebten, dass ein Mann immer wieder respektlos über seine Partnerin rede oder über sie herziehe, sollten sie einschreiten. „Wir sollten gegenüber den Tätern klar auftreten, auch wenn deren Reaktion uns unangenehm sein könnte.“
Warum die gekränkten Frauen ihren Partner nicht verlassen, erklärt die Politikprofessorin so: „Die Spirale der Gewalt, die mit Verunsicherungen, Herabwürdigung, Beschimpfungen und Einschüchterungen anfängt, beschreibt die Beziehungsdynamik nicht vollständig. Denn Täter zeigen zwischendurch Reue und versprechen, dass sie nie wieder Gewalt ausüben werden.“ Oft entstehe eine „Dynamik von Kuss und Tritt, Kuss und Tritt“.
Dackweiler erklärt Gewalt in Paarbeziehungen auch mit dem Geschlechterverhältnis, das in Medien vermittelt werde: „In Hip-Hop-Videos wird ein Männlichkeitsideal des bulligen, coolen, souveränen und potenten Manns gezeigt und puppenhafte und devote Frauen. Diese Videos werden massenhaft konsumiert und sind in den Köpfen der Menschen präsent.“