Hannover (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) muss nach Ansicht von Synodenpräses Anna-Nicole Heinrich Lehren aus dem Rücktritt der früheren Ratsvorsitzenden Annette Kurschus ziehen. Das Thema der sexualisierten Gewalt werde „uns immer wieder mit Widersprüchen konfrontieren und an institutionelle und persönliche Grenzen führen“, sagte Heinrich am Dienstag zum Start einer digitalen Tagung der EKD-Synode. Man werde einen Weg finden müssen, „mit möglichen Vorwürfen dieser Art angemessen umzugehen“, sagte sie und fügte hinzu: „Das wird nicht einfach.“
Die Präses der Synode ging in ihrer Eröffnungsrede auch auf Vorwürfe ein, Kurschus habe in den Leitungsgremien der evangelischen Kirche nicht genügend Rückhalt erfahren. Sie bedauere es, wenn bei manchen Personen der Eindruck entstanden sei, „die Synode, der Rat der EKD oder ich selbst haben sich unzureichend solidarisch mit Annette Kurschus gezeigt“, sagte Heinrich. Für sie sei eine Atmosphäre des Vertrauens und der Ehrlichkeit wichtig. Heinrich betonte die Bedeutung der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Kirche. Für sie sei dabei „handlungsleitend, dass betroffene Personen und die Aufarbeitung an erster Stelle stehen müssen“.
Annette Kurschus war am 20. November vom EKD-Ratsvorsitz und als Präses der westfälischen Kirche zurückgetreten. Ihr wird vorgeworfen, mit einem mutmaßlichen Fall sexualisierter Gewalt nicht ausreichend transparent umgegangen zu sein. Der Fall reicht in die 90er Jahre zurück, Beschuldigter ist ein ehemaliger Kirchenmitarbeiter aus Kurschus' früherem Arbeitsumfeld in Siegen, den sie laut eigener Aussage sehr gut kennt. Er soll junge Männer sexuell bedrängt haben.
Die „Siegener Zeitung“ hatte unmittelbar vor und während der EKD-Synodentagung Mitte November in Ulm darüber berichtet. Die EKD-Jahrestagung war wegen des bundesweiten Bahnstreiks am Morgen des 15. November unterbrochen worden und sollte am Dienstag digital abgeschlossen werden.