Hannover (epd). Die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, sieht im Zusammenhang mit dem Rücktritt ihrer Vorgängerin Annette Kurschus eine „große Verunsicherung“ in den EKD-Leitungsgremien. „Es geht um Vertrauen und um Glaubwürdigkeit“, sagte die Hamburger Bischöfin Fehrs am Dienstag bei einer digitalen Sitzung der EKD-Synode. „Da liegt noch ein gutes Stück Weg vor uns. Und diesen Weg gilt es nun mit Übersicht, mit Klarheit und mit Feingefühl zu gehen“, sagte die bisherige Stellvertreterin der Ratsvorsitzenden.
Annette Kurschus war am 20. November vom EKD-Ratsvorsitz und als Präses der westfälischen Kirche zurückgetreten. Ihr wird vorgeworfen, mit einem mutmaßlichen Fall sexualisierter Gewalt nicht ausreichend transparent umgegangen zu sein. Der Fall reicht in die 90er Jahre zurück, Beschuldigter ist ein ehemaliger Kirchenmitarbeiter aus Kurschus' früherem Arbeitsumfeld in Siegen, den sie laut eigener Aussage sehr gut kennt. Er soll junge Männer sexuell bedrängt haben.
Die „Siegener Zeitung“ hatte unmittelbar vor und während der EKD-Synodentagung Mitte November in Ulm darüber berichtet. Die EKD-Jahrestagung war wegen des bundesweiten Bahnstreiks am Morgen des 15. November unterbrochen worden und sollte am Dienstag digital abgeschlossen werden.
Fehrs sprach von einer „geradlinigen und konsequenten Entscheidung“ Kurschus' zum Rücktritt. Davor habe sie „echte Hochachtung“. Sie empfinde es als schmerzhaft, dass der Umgang mit den Ereignissen in Siegen zum Rücktritt geführt hat.
„Für mich kommt es jetzt darauf an, verlorenes Vertrauen wieder herzustellen“, sagte Fehrs. In der vergangenen Woche habe es intensive Beratungen mit den Betroffenen-Vertretern im EKD-Beteiligungsform Sexualisierte Gewalt gegeben. Mit leitenden Geistlichen, Vertretern der Landeskirchen und Ratsmitgliedern seien Treffen geplant. Zudem bot Fehrs an, den synodalen Gruppen für Gespräche zur Verfügung zu stehen.
Dass Betroffenen-Vertreter in den Auseinandersetzungen um den Rücktritt von Kurschus „enormem Druck“ und „Anfeindungen“ ausgesetzt worden seien, empfinde sie als beschämend. Der Rat der EKD werde „mit aller Konsequenz“ den eingeschlagenen Weg bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt fortsetzen. Dabei gehe es um eine „klare Ausrichtung auf Betroffene“ und darum, Grenzverletzungen und Gewalt in der Kirche zu verhindern sowie Vorfälle aufzuklären.