Ulm (epd). Wegen des angekündigten bundesweiten Bahnstreiks hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ihre Synodentagung in Ulm vorzeitig beendet. Wegen der verfrühten Abreise von Delegierten habe die Beschlussfähigkeit des evangelischen Kirchenparlaments infrage gestanden, sagte die Präses der EKD-Synode, Anna-Nicole Heinrich, am Mittwoch in Ulm vor Journalisten. Der EKD-Haushalt, Kirchengesetze und Anträge müssten rechtssicher abgestimmt werden, betonte sie. Dies soll nun zeitnah digital nachgeholt werden.
Am Mittwochmorgen war das Plenum noch einmal kurz zusammengekommen, ohne jedoch die Beratungen wie von der Tagesordnung vorgesehen aufzunehmen. Die Reihen unter den 128 Mitgliedern des Kirchenparlaments hatten sich zum geplanten Sitzungsbeginn bereits erkennbar gelichtet.
Ein Missbrauchsfall im evangelischen Kirchenkreis Siegen-Wittgenstein hatte die Tagung überschattet. Vor wenigen Tagen waren Missbrauchsvorwürfe gegen einen ehemaligen Mitarbeiter des Kirchenkreises öffentlich geworden, in dem die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus Gemeindepfarrerin und später Superintendentin war. Die Staatsanwaltschaft Siegen ermittelt, sieht aber bislang keine strafrechtliche Relevanz des Falles, der viele Jahre zurückliege. Wie die „Siegener Zeitung“ am Dienstag online berichtete, liegt ihr die Aussage eines Mannes vor, der bereits Ende der 90er Jahre kirchliche Amtsträger in Siegen über die Vorwürfe gegen den Kirchenmitarbeiter informiert haben will. Eine Gesprächspartnerin sei Kurschus als damalige Pfarrerin gewesen.
Kurschus verwahrte sich gegen die Vorwürfe. In einer Erklärung vor der Synode sprach sie von „Andeutungen“ und „Spekulationen“, die sie zurückweise. In einem schriftlichen Statement zuvor hieß es, in Gesprächen vor vielen Jahren sei zwar die sexuelle Orientierung eines inzwischen des Missbrauchs beschuldigten Kirchenmitarbeiters, „aber zu keiner Zeit der Tatbestand sexualisierter Gewalt thematisiert worden“. Kurschus bestätigte vor dem Kirchenparlament, dass sie den Beschuldigten jahrzehntelang und gut kenne, erst zu Jahresanfang aber von den Vorwürfen erfahren habe. Sie sei wütend und enttäuscht, sagte sie und kündigte eine externe und unabhängige Aufklärung des Falles an. Für ihre Erklärung hatte Kurschus Applaus aus dem Plenum erhalten.
Synoden-Präses Heinrich erklärte am Mittwoch zur Reaktion der Synode: „Wir als Synode haben uns klar zur Unterstützung von Betroffenen, zu systematischer Aufarbeitung und umfassender Prävention bekannt“, betonte Heinrich. „Ich habe den Applaus als Unterstützung für die klare Aussage der Ratsvorsitzenden zur unabhängigen Aufarbeitung des Falles verstanden“, sagte Heinrich. Sie selbst habe das Statement sachlich zur Kenntnis genommen und nicht applaudiert, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Die Jahrestagung der Synode der EKD hatte am Sonntag begonnen. Der Abschluss war für Mittwochmittag geplant. Schwerpunkt der Beratungen war die Kommunikation des Glaubens. Die Synodalen aus ganz Deutschland berieten unter anderem über Konsequenzen aus einer Studie, der zufolge sich die Abwendung der Deutschen von Kirche und Religion beschleunigt. Bereits im nächsten Jahr dürfte der Bevölkerungsanteil der christlich-konfessionell Gebundenen hierzulande unter 50 Prozent sinken.