Die beiden Inselpolizisten sind drauf und dran, den schleswig-holsteinischen Wettbewerb um das Revier mit der niedrigsten Kriminalitätsrate zu gewinnen. Wie die Methode der Brüder funktioniert, zeigt sich, als Klaus Hansen, der Dritte im Bunde, morgens am Strand ein Boot mit Leiche entdeckt: Das Trio schiebt den Kahn kurzerhand zurück ins Meer; sollen sich die Kollegen von der Nachbarinsel drum kümmern. Womöglich haben sie ihnen die Leiche ohnehin untergejubelt, um die eigene Statistik zu retten.
Spätestens nach dieser Episode ist klar, wie "Morden auf Öd" funktioniert: Natürlich gibt es Todesfälle, aber der Tonfall ist vorwiegend heiter. Dass Stimmung und Atmosphäre an "Nord bei Nordwest" (ARD) erinnern, ist kein Zufall: Reihenschöpfer hier wie dort ist Holger Karsten Schmidt, mehrfacher Grimme-Preisträger und zuletzt für "Die Toten von Marnow" (ARD, 2021) mit dem Deutschen Fernsehkrimipreis ausgezeichnet. Für einen Privatsender hat der Erfolgsautor schon länger nicht mehr gearbeitet, seine letzten Filme sind größtenteils im "Ersten" gelaufen. Mit dem "tödlichen Dienst-Tag" und Reihen wie "Dünentod", "Sonderlage" oder zuletzt "Alpentod" hat sich RTL mittlerweile zur ernstzunehmenden Krimikonkurrenz für ARD und ZDF gemausert, zumal die Mischung stimmt: Das Spektrum reicht von der klassischen Mördersuche über den Thriller bis zum Schmunzelkrimi ("Die Neue und der Bulle").
"Morden auf Öd" scheint sich anfangs ebenfalls in diese Richtung zu entwickeln, doch ähnlich wie in "Nord bei Nordwest" oder der gleichfalls von Schmidt geschaffenen ARD-Reihe "Harter Brocken" trügt der Schein: Rolf und Jürgen Benz (Detlev Buck, Steffen Münster) haben gewaltigen Dreck am Stecken, aber keine Ahnung, dass man ihnen längst auf der Spur ist. Entsprechend fröhlich und unbeschwert, sofern bei den beiden davon überhaupt die Rede sein kann, begrüßen sie die neue Kollegin vom Festland: Maja Stein (Paula Kalenberg) ist die Ersatzfrau für eine angekündigte Verstärkung. Die junge Frau quasselt ziemlich viel, wenn sie aufgeregt ist. In Öd, lernt sie alsbald, gehen die Uhren anders, auch die Rechtsauffassung der Kollegen widerspricht den Gepflogenheiten auf dem Festland. Maja sorgt dafür, dass es mit der Beschaulichkeit, in der sich die Brüder eingerichtet haben, schnell vorbei ist.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Zunächst vermitteln Schmidt und Regisseur Richard Huber, dank seiner gleichfalls mit dem Grimme-Preis geehrten Serie "Dr. Psycho" (ProSieben, 2007) sowie einiger Episoden für den witzigen "Tatort" aus Weimar ein ausgewiesener Experte für Krimikomödien, jedoch Beschaulichkeit. Der etwas begriffsstutzige Jürgen vertreibt sich die Arbeitszeit wahlweise auf Sexseiten oder mit Computer-Patience, während Rolf über das Dasein sinniert: "Das Leben ist wie eine Schaufel." Den erklärenden Zusatz ergänzt er erst später: "Je länger man buddelt, desto tiefer das Loch."
Die Erkenntnis könnte auch das Arbeitscredo von Maja Stein sein, denn die ist, wie sich rausstellt, auf die Kollegen angesetzt. Den Toten, der wenig später samt Kahn erneut angetrieben wird, haben die Brüder selbst auf dem Gewissen, womit sie sich allerdings einen erheblichen Schlamassel bereitet haben, denn ihre dänischen Komplizen verstehen keinen Spaß; erst recht nicht, wenn es um sechsstellige Summen geht. In Hansen findet Maja unerwartete Unterstützung, zumal sie ihm offenbart, dass seine beiden vermeintlich väterlichen Freunde ein düsteres Geheimnis hüten, das einst sein Leben auf den Kopf gestellt hat.
Hubers Inszenierung ist ähnlich zwanglos wie die Leben auf dem (fiktiven) Nordsee-Eiland Öd. Selbst das Finale, in dem es immerhin um Leben und Tod geht, ist nur halbwegs dramatisch. Die fesselndste Szene zwischendurch ist ein Klassiker, der in keiner "Wilsberg"-Episode fehlen darf: Während Maja noch die hochseetaugliche Yacht der Brüder durchsucht, kommen die beiden aufs Schiff; das ist im Grunde nicht spannender als im Kinderkrimi. Dass "Tag der Abrechnung" trotzdem sehenswert ist, hat der Film vor allem dem Ensemble zu verdanken. Gerade Detlev Buck ist als wortkarger Ganove ein großes Vergnügen, und Paula Kalenberg ist grundsätzlich immer eine Freude. Dass Huber seinen Film um kalendertaugliche Impressionen von Himmel, Meer und Landschaft ergänzt, versteht sich bei Regionalkrimis dieser Art ohnehin von selbst.