Düsseldorf, München (epd). Die Wirtschaftswissenschaftlerin Monika Schnitzer warnt vor Standortnachteilen bei möglichen AfD-Wahlsiegen. „Es ist jetzt schon so, dass Investoren diese Entwicklungen kritisch beobachten“, sagte die Vorsitzende der sogenannten Wirtschaftsweisen der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Dienstag). Sowohl das Weltbild als auch die Programmatik der AfD seien „nüchtern gesprochen Standortnachteile“. Die Gefahr, dass sich von der AfD regierte Länder, Städte oder Gemeinden isolieren, bestehe durchaus.
Dies würde zweifellos die Lücke zum Rest Deutschlands größer werden lassen, ganz zu schweigen vom Imageverlust, prognostizierte die Münchner Ökonomin. „Eine erst kürzlich hochrangig veröffentlichte Studie des Kieler Ökonomen Moritz Schularick und Co-Autoren hat gezeigt, dass populistische Regierungen zu deutlich niedrigerem Wirtschaftswachstum, weniger Stabilität und dem Zerfall von Institutionen führen.“
Aus rein wirtschaftlicher Sicht lassen sich ihrer Ansicht nach die weitverbreiteten hohen AfD-Werte in Ostdeutschland nicht erklären. „Betrachtet man die enorme Aufbau- und Transformationsleistung in den letzten drei Jahrzehnten, gepaart mit dem heute hohen Lebensstandard, gibt es eigentlich in der Regel keinen Anlass für ein solches Wahlverhalten“, sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung.
Erklärungen seien eher in der erlebten Unsicherheit zu suchen, dem Eindruck des ständigen Wandels. „Es gab seit der Wiedervereinigung lange Zeit kaum wirtschaftliche Stabilität für Ostdeutschland, und dieses Gefühl hat sich bei manchen Menschen stellenweise verfestigt.“
Die Wissenschaftlerin bezeichnete die wirtschaftliche Leistung der fünf Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen seit 1990 als „beeindruckend“. „Der enorme Produktivitätsnachteil wurde gerade in den ersten beiden Dekaden nach der deutschen Einheit substanziell verringert und die anfängliche Massenarbeitslosigkeit abgebaut, auch dank notwendiger Arbeitsmarktreformen“, sagte die Professorin für Wirtschaftsforschung von der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Allerdings gebe es in Ostdeutschland immer noch zu wenige große, innovative Unternehmen und somit immer eine deutliche Produktivitätslücke zum Westen, räumte Schnitzer ein. Das schlage sich auch in niedrigeren Löhnen nieder. Schaue man sich die reale Kaufkraft an, also sich Bürgerinnen und Bürger vor Ort mit dem verdienten Geld leisten können, dann seien die Unterschiede zwar noch da, aber nicht mehr so groß, erklärte Ökonomin. „Und sie variieren, wie auch in Westdeutschland, stark zwischen den einzelnen Regionen, zum Beispiel zwischen Stadt und Land.“