Aktivistin: Queeren Menschen in Kenia droht weitere Kriminalisierung

Aktivistin: Queeren Menschen in Kenia droht weitere Kriminalisierung
14.05.2023
epd
epd-Gespräch: Birte Mensing

Nairobi (epd). Ein zunächst positives Gerichtsurteil hat sich einer Aktivistin zufolge verheerend auf die Stimmung gegenüber sexuellen Minderheiten in Kenia ausgewirkt. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts vom Februar, auch LGBT-Organisationen dürften sich offiziell registrieren, „waren gute Nachrichten, die schnell schlechte Nachrichten nach sich zogen“, sagte Ivy Werimba von der Organisation galck+ dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Am 24. Februar hatte das Verfassungsgericht in der als historisch gewerteten Entscheidung erlaubt, dass sich Organisationen auch dann registrieren können, wenn sie die Worte „schwul“ oder „lesbisch“ im Namen tragen. Doch direkt am Tag des Urteils verkündete der Parlamentsabgeordnete Peter Kaluma, er wolle sich dafür einsetzen, dass lebenslange Haftstrafen für Homosexuelle eingeführt und jegliche Aufklärung verboten werde. Es sei sofort klar geworden, dass das Ziel eine Gesetzesvorlage gegen Homosexualität sei, sagt Werimba.

In Kenia gilt ein Gesetz aus der Kolonialzeit, laut dem gleichgeschlechtlicher Sex mit bis zu 14 Jahren Haft bestraft werden kann. Dazu kommt das gesellschaftliche Stigma, das oft durch die Kirchen verstärkt wird. So forderte der anglikanische Erzbischof in Kenia, das Urteil des Verfassungsgerichts müsse rückgängig gemacht werden. „Dass er außerdem die Sexualaufklärung an Schulen infrage stellt, zeigt, dass es ihm um mehr als nur das Urteil geht“, erklärt Werimba.

„Dieser Backlash hat ganz konkrete Auswirkungen auf queere Menschen im Land“, unterstreicht die Aktivistin. Vor allem im Osten registrierte galck+ mehr Gewalt gegen sexuelle Minderheiten. Es habe an mehreren Orten Demonstrationen gegen lokale Organisationen gegeben, die sich für die Rechte und den Schutz der LGBT-Community einsetzen, erläutert Werimba.

„Sie machen uns zum Sündenbock“, konstatiert Ivy Werimba. Die Politik gehe vielen Problemen aus dem Weg. Die Wirtschaft sei am Boden, das Bildungssystem nach einer Reform im Chaos.

Anfang April reichte der Abgeordnete Kaluma dann eine „Gesetzesvorlage zum Schutz der Familie“ im Parlament ein. „Aber der Name führt in die Irre, es geht darin nicht um den Schutz von Familien“, sagt Werimba. „Es geht um eine weitere Kriminalisierung von queeren Menschen.“

„Wenn man sich die Gesetzesentwürfe anschaut, die über die Jahre in verschiedenen afrikanischen Ländern eingebracht wurden, sieht man ganz deutlich eine gemeinsame Sprache“, sagt Werimba. Alle würden unterstützt von ultra-konservativen Organisationen aus den USA, die auch gegen das Recht auf den Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheitsversorgung Stimmung machten. „Erst kämpfen sie gegen das Recht auf Abtreibung, jetzt gegen unsere Rechte - wir müssen uns fragen: Wer ist als Nächstes dran?“