Berlin (epd). Der Ausstoß von Kohlendioxid im Lausitzer Braunkohlereviers muss einer neuen Studie zufolge auf 205 Millionen Tonnen beschränkt werden, wenn Deutschland die 1,5-Grad-Grenze bei der Erderwärmung einhalten soll. Selbst ein auf 2030 vorgezogener Kohle-Ausstieg würde das Ziel verfehlen, sagte der Leiter der FossilExit-Forschungsgruppe an der Europa-Universität Flensburg, Pao-Yu Oei, am Donnerstag in Berlin bei der Vorstellung der Analyse.
Zur Einhaltung der Klimaziele müsste demnach die Auslastung der Kohlekraftwerke entweder ab sofort um 25 Prozent gesenkt oder der Kohleausstieg auf 2026 vorgezogen werden. Wegen sinkender Gaspreise werde die Nutzung von Kohle ohnehin spätestens ab 2030 unrentabel, erklärte der Leiter der Forschungsgruppe. Eine starke Drosselung der Kohlekraftwerke würde die Energiesicherheit demnach nicht gefährden. Die Studie „Klimaschutz in der Lausitz zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze“ war von „Fridays for Future“ in Auftrag gegeben worden.
Luisa Neubauer von „Fridays for Future“, sagte bei der Vorstellung der Ergebnisse, Deutschland sei nicht auf dem Pfad zur Erreichung der Klimaziele. Wenn alle Länder sich so verhalten würden, „wären wir bei 4,5 Grad“. Deutschland sei „kein Vorbild“. Der Kohleausstieg müsse auf spätestens 2030 vorgezogen werden. Dass Menschen in Ostdeutschland schlechte Erfahrungen mit Strukturwandel gemacht hätten, dürfe keine Ausrede für dessen Verschleppung sein.
Vor dem Hintergrund der Ergebnisse ruft die Klimaschutzbewegung für den 7. Mai am Tagebau Nochten im sächsischen Boxberg zu einer Demonstration für einen vorgezogenen Kohleausstieg und einen sozial-ökologischen Strukturwandel auf.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) veröffentlichte unterdessen eine Studie, der zufolge der Verkehrssektor das CO2-Restbudget bis 2030 so radikal wie kein anderer Sektor in Deutschland sprengt. Laut der in Berlin vorgestellten Berechnung des NewClimate Institute wird der Verkehr allein in diesem Jahrzehnt mehr als 1.100 Millionen Tonnen Treibhausgase verursachen. Das seien fast viermal so viel wie mit der 1,5-Grad-Grenze vereinbar, sagte Studienautor Niklas Höhne.
„Wenn alle Sektoren und Staaten ihre Emissionsreduktionen im selben Maß verschleppen wie der deutsche Verkehrssektor, erhitzt sich die Erde um mehr als drei Grad“, warnte Höhne. Dann drohten globale Hungersnöte, tödliche Hitzewellen, Dürren und andere Extremwetterereignisse sowie kollabierende Ökosysteme.
Laut Höhne kann der Ausfall des Verkehrssektors, dem etwa 20 Prozent des nationalen CO2-Restbudgets zustehen, nicht kompensiert werden. Keiner der anderen Sektoren wie Landwirtschaft, Industrie oder Energie habe Treibhausgas-Budget abzugeben. Dafür hätten alle seit dem Inkrafttreten des verbindlichen 1,5-Grad-Ziels im Jahr 2016 bereits zu viel verbraucht: „Deshalb muss der Verkehr jetzt die Notbremse ziehen.“
Die Umwelthilfe fordert ein sofortiges Tempolimit 100 auf Autobahnen, 80 außerorts und 30 innerorts, die Abschaffung der milliardenschweren Subventionen etwa für Dienstwagen, Diesel und Kerosin und den Stopp aller neuen Autobahn- und Bundesstraßen-Pläne. Zudem dürften ab 2025 keine neuen Verbrenner mehr zugelassen werden.