Berlin (epd). Der Berliner Soziologe und Protestforscher Dieter Rucht sieht bei den Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ ein Strategiedefizit. „Der 'Letzten Generation' mangelt es an strategischer Überlegung, wie Mehrheiten zu gewinnen sind“, sagte Rucht der in Berlin erscheinenden „taz“ (Donnerstag). Es bestehe die Gefahr, dass sich das Aktionsmoment verselbstständige, weil es auf hohe Aufmerksamkeit in den Medien ziele.
„Wenn das Erregen von Aufsehen aber zum Hauptzweck wird, geraten die Überzeugungsprozesse in den Hintergrund“, sagte Rucht. Auch fehle „ein nachvollziehbarer Plan mit umsetzbaren Schritten zur Erreichung des Zieles“, etwa die Verringerung der Emissionen von Industrie, Gebäuden und Verkehr.
Mit Blick auf die Blockaden der Anti-Atom-Bewegung sagte Rucht, damals habe es sich um symbolische Aktionen gehandelt, „die das Alltagsleben der Bürgerinnen und Bürger kaum beeinträchtigten“. Die Bauplatzbesetzungen etwa in Gorleben hätten das Gros der Bevölkerung nicht tangiert, betonte er: „Das macht die 'Letzte Generation' jetzt anders.“
Ihre Aktionen träfen Menschen, die zur Arbeit fahren, die in Eile und verständlicherweise erbost seien, wenn sie aufgehalten werden. Dies sei ungeschickt, betonte Rucht: „Viele Leute sehen den Zusammenhang zwischen diesen Blockaden und dem Ziel des Klimaschutzes nicht ein.“