Weimar (epd). Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, sieht in der Gesellschaft eine große Gruppe, die Waffenlieferungen ablehnend gegenübersteht. Nach jedem Gottesdienst werde sie von Menschen angesprochen, „die Angst haben, dass wir Kriegspartei werden könnten“, sagte Käßmann der in Weimar erscheinenden Mitteldeutschen Kirchenzeitung „Glaube+Heimat“ (Ausgabe vom 2. April). Diese Gespräche seien immer mit der Frage verbunden, warum die Kirche Waffenlieferungen befürworte.
Käßmann kritisierte in diesem Zusammenhang Äußerungen bei der EKD-Synode im vergangenen Herbst in Magdeburg. Dort sei gesagt worden, dass Waffen Leben retten könnten. Sie denke, dass Waffen zuallererst produziert werden, um zu töten. Das könne sie nicht ausblenden. „Seit ich denken kann, waren Pazifisten in einer Minderheitenposition. Der Protestantismus neigt seit Luther auch zu einer gewissen Obrigkeitshörigkeit“, stellte die Theologin fest.
Käßmann sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), sie wolle mit ihren Äußerungen aber nicht den Eindruck erwecken, damit die friedensethische Position ihrer Nachfolgerin im Amt des EKD-Ratsvorsitzes Annette Kurschus zu kritisieren.
Befürworter wie Gegner von Waffenlieferungen müssten sich mit den jeweiligen Argumenten der Gegenseite auseinandersetzen, sagte die Theologin der Kirchenzeitung. So habe sie in einem alten Gebetsbuch für deutsche Soldaten unter dem fünften Gebot „Du sollst nicht töten“ die Klammer entdeckt: „Gilt nicht im Kriegsfall“. Ihr persönlich sei diese Sicht zu einfach. „Wenn wir es aber nicht mehr in der Kirche schaffen, miteinander zu reden, dann sind wir wenig glaubwürdig“, sagte Käßmann. Auch sie akzeptiere, dass es in der EKD unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema gebe.
Die Friedensbotschaft Jesu sei dagegen klar und „absolut radikal“. Im Neuen Testament heiße es: „Steck das Schwert an seinen Ort! Liebet Eure Feinde.“ Letzteres sei das Schwerste, was Jesus uns hinterlassen habe, erklärte Käßmann unter Verweis auf ein Zitat des US-amerikanischen Bürgerrechtlers Martin Luther King (1929-1968). Zudem regte die Theologin an, dass Soldaten, wie früher Wehrdienstverweigerer, sich einer Gewissensprüfung unterziehen sollten.