Meseberg, Halle (epd). Die Politik muss sich nach Ansicht der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina beim Klimaschutz mehr anstrengen. In einem am Montag veröffentlichten Diskussionspapier der Institution heißt es, Deutschland müsse dringend handeln, „um den kritischen Zeitpunkt nicht zu verpassen“. Bundeskanzler Scholz zeigte sich derweil überzeugt, dass „Zuversicht geboten ist“.
Nach einer zweitägigen Kabinettsklausur im brandenburgischen Schloss Meseberg äußerte sich der Kanzler optimistisch, dass der klimafreundliche Umbau der Wirtschaft gelingt und mit wirtschaftlichem Aufschwung verbunden sein wird. Bis 2030 müssten pro Tag vier bis fünf neue Windräder aufgestellt werden und täglich umgerechnet mehr als 40 Fußballfelder voller Solaranlagen, sagte er. Nötig seien zudem Investitionen in Wasserstoffwirtschaft und Elektromobilität.
Scholz betonte, die Zuversicht, dass Deutschland auch in zehn, zwanzig, dreißig Jahren vorn dabei sein werde in der Weltwirtschaft, „dass wir unsere Kraft erhalten können“, könne durch das tägliche Handeln der Regierung gestärkt werden.
Nach Ansicht der Leopoldina-Sachverständigen hingegen müssen politisch stärkere Anstrengungen unternommen werden. „Der kritische Zeitpunkt, an dem Deutschland und Europa die Voraussetzungen für eine Erreichung der Pariser Klimaziele schaffen können, ist bald verstrichen“, heißt in den veröffentlichten „Leitideen“. Sachverständige wie der Klimaökonom Ottmar Edenhofer und die zu den fünf Wirtschaftsweisen zählende Veronika Grimm empfehlen technologieoffene Strategien, die Anreize für Investitionen schaffen.
Die Fachleute weisen darauf hin, dass künftig vor allem Strom aus erneuerbaren Energien zur Energieversorgung genutzt werden soll. Sie geben dabei zu bedenken, dass es immer wieder zu Schwankungen kommt, wenn etwa die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht. Da Speichertechnologien bisher nur begrenzte Kapazitäten haben, müssten stoffliche Energieträger eine zentrale Rolle spielen, insbesondere Wasserstoff, heißt es in dem Papier. Für eine Übergangszeit müsse die Energieversorgung allerdings noch längere Zeit auch auf Erdgas beruhen. Das Diskussionspapier empfiehlt außerdem eine breite gesellschaftliche Beteiligung. Für das Gelingen der Energiewende sei das eine wichtige Voraussetzung.
Eine aktuelle Studie im Auftrag der Bundesregierung befasste sich derweil mit den Folgekosten der Erderwärmung. Demnach könnten Schäden durch klimabedingtes Extremwetter die deutsche Volkswirtschaft im Zeitraum von 2022 bis 2050 bis zu 900 Milliarden Euro kosten. Diese Maximalsumme droht im Falle eines „starken Klimawandels“. Ein „schwacher Klimawandel“ würde demnach rund 280 Milliarden Euro im selben Zeitraum kosten.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte dazu in Meseberg: „Wir sagen immer Klimaschutz.“ Aber mit den geplanten Maßnahmen werde nicht das Klima geschützt, sondern die Menschen weltweit und in Deutschland vor Katastrophen, wie die im Ahrtal. In der Studie wurden die Schäden durch die Überschwemmungen im Ahrtal und an der Erft im Juli 2021 auf mehr als 40 Milliarden Euro beziffert.