Eine Beweisaufnahme wird es nicht mehr geben. Auch Zeugen treten nicht auf, wenn an diesem Donnerstag (23.2.23) der umstrittene evangelische Pastor Olaf Latzel vor dem 1. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichtes (OLG) in Bremen steht. Dann geht es in einem Revisionsverfahren wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung (Az: 51 NS 225 JS 26577/20, 10/21) zwar erneut um das, was der Theologe vor mehr als zwei Jahren in einer "biblischen Fahrschule zur Ehe" gesagt hat. Im Fokus des Gerichtes steht auf Antrag der Staatsanwaltschaft aber einzig die Frage, ob der Freispruch der Vorinstanz formal korrekt ist - oder ob es Rechtsfehler und Verfahrensverstöße gibt.
Das, was der heute 55-jährige Latzel im Oktober 2019 abfällig über Gender und Homosexuelle äußerte, hat bundesweit Schlagzeilen gemacht. Homosexualität sei eine "Degenerationsform von Gesellschaft", sagte der Pastor der evangelikalen Bremer St.-Martini-Gemeinde vor etwa 30 Ehepaaren. Er warnte vor einer "Homolobby". Und auch: "Überall laufen diese Verbrecher rum von diesem Christopher Street Day. Der ganze Genderdreck ist ein Angriff auf Gottes Schöpfungsordnung, ist zutiefst teuflisch und satanisch."
Eine Tonaufnahme davon war im März des Folgejahres mit Zustimmung des Pastors auf dem reichweitenstarken Youtube-Kanal des Theologen veröffentlicht worden, der aktuell mehr als 46.000 Abonnenten hat. Das Bremer Amtsgericht hatte den Angeklagten aufgrund seiner Äußerungen im November 2020 wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 90 Euro verurteilt.
Freispruch im Berufungsverfahren
Im Berufungsverfahren vor dem Landgericht wurde Latzel im Mai vergangenen Jahres freigesprochen. Die Kammer folgte damit dem Plädoyer des Verteidigers Sascha Böttner, für den Latzels Äußerungen von der Religions- und Meinungsfreiheit gedeckt waren. Richter Hendrik Göhner argumentierte unter anderem, der streng konservative Pastor habe von der Bibel her argumentiert.
Damit schloss sich Göhner der Einschätzung des Wiener katholischen Bibelwissenschaftlers Ludger Schwienhorst-Schönberger an, der im Verfahren als Sachverständiger ausgesagt hatte. In gesellschaftlicher Hinsicht allerdings, ergänzte der Richter am Ende seiner Begründung, seien Latzels Äußerungen "mehr als befremdlich". Sie leisteten keinen Beitrag für ein Klima, "in dem alle Menschen gut miteinander auskommen".
Nun Entscheidung nach Aktenlage
In der evangelischen Kirche sorgte der Freispruch vielfach für Bedauern. Latzel selbst sagte in der Berufung, er habe sich gegen Homosexualität und Gender-Mainstreaming gestellt, nicht aber gegen homosexuelle Menschen. Er sehe sich an das Wort Gottes gebunden, das Homosexualität verurteile. Mehrfach hatte er sich für "missverständliche Äußerungen" entschuldigt.
Im Revisionsverfahren am Donnerstag ist der Strafsenat an die vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen gebunden und entscheidet nach Aktenlage. "Zur Begründung der Revision kann ich nur ausführen, dass die Staatsanwaltschaft Bremen die Äußerungen des Angeklagten weiterhin als strafbar bewertet", sagte der Sprecher der Anklagebehörde, Frank Passade, dem Evangelischen Pressedienst.
Der Sprecher des Oberlandesgerichtes erklärte auf epd-Anfrage, die Dauer der Verhandlung hänge vom Erörterungsbedarf der Beteiligten ab. "Es können durchaus drei bis vier Stunden werden." Mit einer Urteilsverkündung rechne er im Anschluss.
Teilt das OLG die Rechtsauffassung des Landgerichts, wäre das Verfahren endgültig beendet. Falls die Revision Erfolg hat, würde das Berufungsverfahren an das Landgericht zurückgehen. Dort würde es dann von einer anderen Kammer neu verhandelt werden.
Weiter unklar ist, wie die Bremische Evangelische Kirche als Arbeitgeber des Pastors reagiert, der seit Dezember 2007 in der St.-Martini-Gemeinde predigt. Sie hat ein Disziplinarverfahren eingeleitet, das allerdings momentan ruht.
"Eigentlich hat sich an der Lage in den vergangenen Monaten nichts geändert", sagte Kirchensprecherin Sabine Hatscher. Sobald ein rechtskräftiges Urteil feststehe, werde das Disziplinarverfahren wieder aufgenommen. Der dann mögliche Strafrahmen hänge direkt vom finalen Urteil ab, das die Kirchenleitung auf der Basis der schriftlichen Urteilsbegründung prüfen und bewerten werde.