Dieses Denken in Freund-Feind-Kategorien sei typisch für Kriegsdiskurse, betonte der Linguistik-Professor an der Universität Siegen: "Differenzierung ist dabei der größte Feind, weil es nicht darum geht, argumentativ zu überzeugen, sondern nur darum zu gewinnen." Medien verstärkten diese Tendenz, weil Polarisierung, Personalisierung und Streit für mehr Aufmerksamkeit sorgten als abwägende Argumente.
Es geht um Deutungshoheit
Begriffe wie "diplomatische Initiative" auf der einen und "Sieg der Ukraine" auf der anderen Seite stünden für die Pole in diesem diskursiven Gegeneinander. Die Verwendung dieser und anderer Wörter wie "Defensivwaffen" oder "Lumpen-Pazifisten" sei Teil strategischer Kommunikation in einem Ringen um Deutungshoheit, sagte der Wissenschaftler, der ein Online-Glossar zum Ukraine-Krieg zusammengestellt hat.
Ein Jahr nach Beginn des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieges habe sich in Deutschland die Alltagssprache "politisch aufgeladen" und der militärische Sprachgebrauch normalisiert, erläuterte der Germanist: "Das bedeutet auch, dass der Einsatz von Waffen als Mittel zu Konfliktlösung ebenfalls normaler wird. Man gewöhnt sich daran, dass Waffen und Aufrüstung halt zum Friedenserhalt dazugehören." Das sei ein Bruch mit dem politisch-moralischen Diskurs der vergangenen Jahrzehnte.
Der Wissenschaftler warb für eine differenzierte und sachliche Debatte darüber, wie den Menschen in der Ukraine am besten geholfen werden könne. "Wir sollten davon ausgehen, dass - fast - alle möchten, dass das Leid beendet wird", schlug Vogel vor: "Der beste Weg wird aber nicht gefunden, wenn man im Anderen sofort den Feind vermutet und es nicht mehr um die Sache geht."