Der württembergische Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl fährt nicht freiwillig maximal 100 Stundenkilometer auf der Autobahn. In einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Freitag) antwortete er auf die Frage, ob er sich an das Tempolimit für Kirchenleute halte, mit "Nein". Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte bei Ihrer Tagung Anfang November ein freiwilliges Tempolimit als Beitrag zum Klimaschutz beschlossen.
"Diese Selbstverpflichtung war nicht sinnvoll", sagte der Landesbischof. "Solche Vorschriften sind nicht die Aufgabe der Kirche." Die Kirche dürfe nicht in erster Linie als Moralinstitution wahrgenommen werden, die bevormundet. "Da reagieren die Menschen zunehmend allergisch", unterstrich Gohl.
Die Klimaaktivisten der "Letzten Generation" nahm Gohl hingegen in Schutz gegen in seinen Augen unangemessene Kritik. "Es ist völlig abwegig, von einer Klima-RAF zu sprechen", sagte er. "Klimaaktivisten benutzen Kartoffelsuppe für ihre Aktionen, sie kleben sich auf dem Asphalt fest, aber sie morden nicht."
Gleichwohl halte er deren Aktionen für kontraproduktiv, kritisierte Gohl: "In der Demokratie geht es darum, Menschen für eine Position zu gewinnen. Ich glaube nicht, dass man viele Menschen damit gewinnt, wenn man Kartoffelsuppe auf ein Kunstwerk schüttet." Im Gegenteil, die "Letzte Generation" erleichtere es jenen, die ohnehin eine andere Meinung verträten, dem Thema der Erderwärmung auszuweichen.
Besorgt äußerte sich der Landesbischof über die Austrittszahlen. Teilweise lägen diese an dem verlorenen Vertrauen infolge der Missbrauchsskandale. Gohl beklagte, dass die evangelische Kirche für Fehlverhalten in der katholischen Kirche "in Mithaftung genommen" werde. Die Austrittszahlen bei Protestanten im Raum Köln seien signifikant höher als anderswo. "Das hat eindeutig mit den Zuständen im dortigen Erzbistum zu tun", sagte Gohl.
Gohl legte dem katholischen Erzbischof von Köln, Kardinal Rainer Maria Woelki, den Rücktritt nahe. Es stehe ihm zwar nicht zu, Woelki etwas vorzuschreiben, sagte er: "Aber wenn man derartig Vertrauen verloren hat, sollte man die Konsequenzen ziehen, um weiteren Vertrauensverlust der Kirche zu verhindern."
Woelki steht wegen seines Umgangs mit Missbrauchsfällen in seinem Erzbistum unter anhaltender Kritik. Seit Ende November ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln gegen ihn wegen Verdachts einer Falschaussage unter Eid. Woelki soll schon früher von konkreten Missbrauchsvorwürfen gegen Bistumsmitarbeiter gewusst haben, als er angegeben hatte.