Bielefeld (epd). Nach der bundesweiten Terror-Razzia hat der Konfliktforscher Andreas Zick mehr Präventionsprogramme gegen Extremismus aus der „Reichsbürger“- und „Querdenker“-Szene gefordert. „Es braucht einen nationalen Strategieplan, der die verschwörungsorientierten Gruppen, 'Reichsbürger' und andere Szenen im Blick hat“, sagte Zick in Bielefeld dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auch müsse die lokale Zivilgesellschaft gestärkt werden. Zudem mahnte der Konfliktforscher spezielle Ausstiegsprogramme an.
Die neuen extremistischen Szenen und ihre Allianzen müssten systematisch analysiert werden, sagte der Leiter des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld. „Wir müssen prüfen, wo Demokratie stabil und wehrhaft ist und wo sie es nicht ist.“ Prävention sei besser als die mühselige Verfolgung, die jetzt notwendig sei.
Am Mittwoch hatte die Polizei eine den „Reichsbürgern“ zugeordnete terroristische Gruppe zerschlagen, die einen politischen Umsturz in Deutschland geplant haben soll. 22 mutmaßliche Mitglieder der Gruppe sowie drei mutmaßliche Unterstützer wurden festgenommen, zudem wurden in elf Bundesländern rund 150 Liegenschaften durchsucht.
Zick sagte, die „Reichsbürger“-Bewegung sei zwar eine radikale Splittergruppe, es gebe jedoch Allianzen bis in die Mitte der Gesellschaft. Auch wenn sie noch so klein seien, würden solche Gruppen „verzögert und unbewusst Einfluss nehmen“. Zudem würden sie an bestehende populäre Meinungen andocken. Der sogenannten Mitte-Studie seines Instituts zufolge seien viele Menschen aus der Mitte der Gesellschaft der Meinung, es sei Zeit, mehr Widerstand gegen die Politik zu zeigen. „Solche Meinungen gefallen 'Reichsbürgern' und bilden Brücken“, sagte der Extremismus-Experte.
Die „Reichsbürger“-Szene hat nach Worten Zicks mit den Protesten gegen Corona-Maßnahmen von verschiedenen Seiten Zulauf erhalten. Die Razzien hätten gezeigt, dass sich Rechtsextreme wie auch rechtspopulistische und verschwörungsorientierte Menschen auf die Szene zubewegt hätten. „Es gibt eine Kernszene, die sich immer stärker bewaffnet und radikalisiert hat und besonders gewaltorientiert ist“, warnte der Extremismusforscher.