Lingen, Berlin (epd). Das Bundesumweltministerium hat sich für ein Ende der Produktion von AKW-Brennelementen in Deutschland ausgesprochen. „Es ist aus Sicht des BMUV im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit des deutschen Atomausstiegs generell erforderlich, die Kernbrennstoffproduktion zu beenden“, heißt es in einem Schreiben des Ministeriums an das Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen. „Dafür ist eine Änderung der Gesetzeslage erforderlich“. Eine Kopie des Briefes liegt dem Evangelischen Pressedienst (epd) vor.
Ein Ministeriumssprecher bestätigte auf epd-Anfrage die Angaben. „Aus Sicht des Bundesumweltministeriums würde die Beendigung der Kernbrennstoffproduktion den deutschen Atomausstieg vervollständigen“, sagte er. Gleichzeitig verwies er darauf, dass im geltenden Koalitionsvertrag keine entsprechenden Vereinbarungen getroffen worden seien: „Eine aktuelle Verfolgung der genannten Einschränkungen“ sei deshalb „derzeit nicht erfolgversprechend“.
In Deutschland werden Brennelemente für Atomkraftwerke in der Fabrik „Advanced Nuclear Fuels“ (ANF) im emsländischen Lingen gefertigt. ANF gehört zu Framatome, einer Tochter des staatlich dominierten französischen Energiekonzerns Èlectricité des France (EdF). Die Lingener Firma beliefert Kernkraftwerke in etlichen AKW europäischen Ländern mit Brennelementen. Sie ist bislang, ebenso wie die Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau, vom deutschen Atomausstieg ausgenommen. Beide Anlagen verfügen über unbefristete Betriebsgenehmigungen.
Wie die „Neue Osnabrücker Zeitung“ am Mittwoch berichtete, will ANF in Lingen künftig nicht mehr nur viereckige Brennelemente bauen, wie sie vorrangig in Reaktoren westlicher Bauart zum Einsatz kommen. Die Produktion solle so umgestaltet werden, dass dort bald auch sechseckige Brennelemente montiert werden könnten, die in Atomkraftwerken russischer Bauart verwendet werden.
Bereits vor Beginn des Krieges gegen die Ukraine hatte der russische Staats- und Atomkonzern Rosatom Interesse an einem Joint Venture mit ANF in Lingen signalisiert. Ein entsprechender Antrag des russisch-französischen Konsortiums lag dem Bundeswirtschaftsministerium bereits davor, wurde dann aber zurückgezogen.
Atomkraftgegner haben nach eigenen Angaben Hinweise, dass das Joint Venture nunmehr statt in Deutschland in Frankreich registriert werden könnte. Das Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen und weitere Initiativen äußerten sich am Mittwoch „entsetzt, dass Frankreich versucht, mitten im völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine die atomare Partnerschaft mit Russland weiter voranzutreiben“. Damit werde zwangsläufig auch die Lingener Brennelementefabrik „in den Einflussbereich des Kreml“ geraten. Es sei auch mit einer Zunahme an Uranlieferungen aus Russland zu rechnen.
In den vergangenen Wochen hatten Atomkraftgegner mehrmals gegen geplante und bereits erfolgte Urantransporte von Russland nach Lingen demonstriert. In dem Brief des Bundesumweltministeriums heißt es dazu: „Auf europäischer Ebene setzen wir uns für eine Erweiterung der Sanktionsmaßnahmen auf die russische kerntechnische Industrie ein (…). Ohne solche Sanktionsregelungen besteht derzeit rechtlich leider keine Handhabe, den Import aus Russland stammenden oder in Russland bearbeiteten Urans an die Brennelementfabrik in Lingen zu beenden.“