Berlin (epd). Es gibt ein erhebliches Potenzial von internationalen Fachkräften, die sich für Deutschland interessieren. Sie sind überwiegend hochqualifiziert und stark motiviert, die Anforderungen zu erfüllen, wie eine Online-Befragung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ergibt, die am Freitag in Berlin vorgestellt wurde. Die größten Hürden sehen die potenziellen Zuwanderer allerdings bei der Arbeitssuche. Die Studie sei die erste Befragung von einwanderungswilligen Fachkräften überhaupt, sagte der Leiter der OECD-Migrationsabteilung, Thomas Liebig.
Der Befragung zufolge haben drei von vier Interessentinnen und Interessenten einen Hochschulabschluss. Der größte Teil (19 Prozent), überwiegend IT-Fachkräfte, stammt aus Indien. An zweiter Stelle liegt Kolumbien (10 Prozent). Aus dem Land kommen vor allem Pflegekräfte. An dritter Stelle liegt die Türkei, aus der vorwiegend Handwerker in Deutschland arbeiten wollen.
90 Prozent derer, die bereits Schritte zur Einwanderung unternehmen, würden der Studie zufolge Weiterbildungen absolvieren, wenn dies verlangt wird. Die Mehrheit wäre dazu aber nur bereit, wenn sie währenddessen bereits in Deutschland arbeiten könnte. Ähnliches gilt für die Deutschkenntnisse.
Als höchste Hürde auf dem Weg nach Deutschland nennt die große Mehrheit der Befragten die Suche nach einem Arbeitsplatz. Vier von fünf potenziellen Einwanderern wünschen sich mehr Unterstützung durch die deutsche Seite. Am schwierigsten sei es, Stellenangebote überhaupt zu finden und Kontakte zu Arbeitgebern aufzunehmen. 70 Prozent der Befragten wünschen sich daher die Erteilung von Visa zur Arbeitssuche.
Ein Arbeitsvertrag ist in der Regel die Voraussetzung für die Zuwanderung nach Deutschland. Mit einem von Deutschland anerkannten Abschluss können Fachkräfte seit 2020 aber für ein halbes Jahr auch zur Arbeitssuche einreisen. Die Bundesregierung hat in dieser Woche Eckpunkte für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz vorgestellt, das die bisherigen Regeln vereinfachen und Hürden abbauen soll. Schätzungen zufolge werden künftig Hunderttausende Zuwanderer pro Jahr gebraucht, um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen.
Zu den Neuerungen soll nach dem Willen der Ampel-Koalition ein Punktesystem gehören, um mehr Menschen die Einreise zur Arbeitssuche ermöglichen. Außerdem soll es künftig möglich sein, ohne einen anerkannten Abschluss eine Arbeit aufzunehmen und die Anerkennung in Deutschland nachzuholen.
Der OECD-Migrationsexperte Liebig bewertete die Regierungspläne als überwiegend positiv. Sie böten die Chance, die Fachkräfteeinwanderung „kräftig voranzubringen“, sagte er. Ob sich das Punktesystem in Verbindung mit einer „Chancenkarte“ bewähren werde, hänge allerdings von der Ausgestaltung ab. Beim Thema Qualifikationsvoraussetzungen sei zu hoffen, dass die Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen einfacher und schneller werde.
Die OECD-Forscherinnen und Forscher haben im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums von August bis Oktober dieses Jahres fast 30.000 Fachkräfte befragt, die nach Deutschland kommen wollen. Sie wurden über das offizielle Portal der Bundesregierung „Make it in Germany“ sowie über die Auslandsvertretungen für die Umfrage gewonnen. Die Ergebnisse sind nach Angaben der Studien-Mitautorin Anne-Sophie Senner nicht repräsentativ, geben aber einen guten Einblick in die Erwartungen der Menschen und die Hürden, denen sie sich gegenübersehen. Die Befragungen sollen noch zweimal wiederholt werden, um Erkenntnisse darüber zu gewinnen, ob die Menschen am Ende tatsächlich nach Deutschland kommen oder nicht.