New York, Berlin (epd). Die Vereinten Nationen wollen Russland zu einer Weiterführung des Getreideabkommens mit der Ukraine bewegen. Die UN seien bereit, auf Bedenken der Russen einzugehen und Vorschläge von allen Seiten anzuhören, erklärte der UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths am Montag in New York.
Die Zusicherung Russlands, sich nicht vollständig aus der Initiative zurückziehen, sei ermutigend, sagte Griffiths vor dem UN-Sicherheitsrat. Er bestätigte, dass am Montag trotz der russischen Ankündigung, das Abkommen auszusetzen, zwölf Schiffe aus ukrainischen Häfen ausgelaufen seien. Eines der Schiffe habe 30.000 Tonnen Weizen für das Krisenland Äthiopien geladen. Zwei weitere Schiffe seien zur Beladung mit Nahrungsmitteln eingelaufen.
Zuvor hatte die Bundesregierung Russland zur Einhaltung des Abkommens aufgerufen. „Russlands einseitiges Aussetzen des Getreideabkommens ist angesichts von weltweit Millionen Hungernden unverantwortlich“, sagte Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Russland sei dringend aufgerufen, seiner vor der Weltgemeinschaft abgegebenen Verpflichtung gerecht zu werden.
Russland hatte das Abkommen am Samstag einseitig ausgesetzt und begründete den Schritt mit Angriffen auf russische Kriegsschiffe im Schwarzen Meer. Russland und die Ukraine hatten sich im Juli unter Vermittlung der UN und der Türkei auf die Initiative geeinigt. Danach sollen Schiffe Getreide, andere Lebensmittel und Dünger über sichere Korridore aus der Ukraine und aus Russland auf die Weltmärkte liefern.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte in Berlin, dass das Abkommen sehr erfolgreich gewesen sei und Millionen Tonnen Getreide auf diese Weise aus der Ukraine geschafft worden seien. Hunger als Waffe einzusetzen, sei etwas „zutiefst Verabscheuungswürdiges“, fügte er mit Blick auf Russland hinzu.
Angesichts der erneuten russischen Blockade ukrainischer Getreide-Exporte per Schiff sprach sich der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid dafür aus, Ausfuhren über den Landweg zu stärken. „Wir müssen noch sehr viel stärker die Landwege ertüchtigen, um die Ausfuhr von Getreide zu ermöglichen“, sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion den Funke-Zeitungen.
Ein Sprecher des Verkehrsministeriums wies darauf hin, dass der Export auf dem Landweg - insbesondere die Schiene - bereits erfolge. Doch der Weg, aus der Ukraine etwa die Nordseehäfen anzusteuern, sei der längste, aufwändigste und teuerste.
Das evangelische Hilfswerk „Brot für die Welt“ befürchtet einen erneuten Anstieg der Getreidepreise. „Die militärischen Auseinandersetzungen dürfen nicht zur Folge haben, dass hungernde Menschen weltweit durch steigende Nahrungsmittelpreise dafür bestraft werden“, erklärte die Präsidentin des Hilfwerks, Dagmar Pruin.
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine haben sich die Hungerkrisen in vielen Ländern verschärft. Die Ukraine und Russland zählten vor dem Krieg zu den weltweit größten Getreideexporteuren. Viele Länder in Nord- und Ostafrika waren von Lieferungen aus den beiden Ländern abhängig. Seit der Unterzeichnung des Getreideabkommens konnten laut UN mehr als 360 Schiffe mit 8,1 Millionen Tonnen landwirtschaftlicher Güter ukrainische Häfen verlassen.