Beim Kürbisschneiden zum Beispiel fehlen ihnen die Ehemänner und Partner. Da hatten die Männer einfach mehr Kraft, sind sich die Frauen am Tisch einig. Aber ihre Männer leben nicht mehr. Trotzdem werden die Frauen gleich gemeinsam Kürbissuppe kochen - und dabei auch viel lachen.
Die Frauen, die sich an diesem Montagabend im Gastraum des Hotels Schanzenstern in Hamburg-Altona treffen, haben alle einen nahen Angehörigen verloren, die meisten ihren Partner. Nun kommen sie einmal im Monat hier zusammen, um gemeinsam zu kochen, zu essen und sich auszutauschen. Männer melden sich seltener zu den Treffen an.
"Trauernde ziehen sich erstmal zurück", erklärt Elke Lütgenau-Hawae, Hospizkoordinatorin beim Ambulanten Hospizdienst der Elbdiakonie, der den Kochabend organisiert. Deshalb sollen sie mit dem Angebot "Futter für die Seele" ermuntert werden, wieder rauszugehen und sich mit anderen zu treffen, die in einer ähnlichen Situation sind. Im Vordergrund steht das gemeinsame Kochen - nicht Tod und Trauer.
Nach der Begrüßungsrunde im Gastraum sind die Frauen in die Küche gegangen, haben sich rote Schürzen umgebunden und bereiten jetzt Vorspeise, Hauptgang und Nachspeise vor. Lütgenau-Hawaes Mann Amat unterstützt sie dabei. Er hat lange selbst im "Schanzenstern" gearbeitet und es ermöglicht, dass die Gruppe die Hotelküche nutzen kann.
Bekannte wollen nicht mehr über den Toten sprechen
Doris hat sich heute für die Zubereitung des Nachtischs gemeldet: Grießbrei mit Apfelkompott. "Es ist schon etwas Anderes, wenn man hier mit Gleichgesinnten spricht", findet die 59-Jährige, deren Mann vor zwei Jahren an Krebs gestorben ist. "Im Freundeskreis trennt sich nach einem Todesfall schnell die Spreu vom Weizen." Bekannte wollten irgendwann nicht mehr über den Toten sprechen oder sagten: 'Jetzt ist es aber auch wieder gut'. "Ich will mir aber nicht auf die Zunge beißen müssen", sagt Doris. "Mein Mann fehlt mir einfach."
"Gemeinsam Trauer aushalten", so lautet ein Untertitel der Veranstaltung. Immer wieder fließen Tränen, wie Lütgenau-Hawae erzählt, und das sei auch gut so. Zusammen mit zwei ehrenamtlichen Trauerbegleiterinnen bietet sie während des Kochens auch Einzelgespräche an, wenn jemand noch etwas verarbeiten möchte oder sich noch nicht bereit fühlt für die größere Gruppe. Aber heute stehen alle zusammen in der Küche, es wird geplaudert und gelacht.
Auch für Heidi, 70, ist der Kochabend ein Weg aus der Einsamkeit. "Ich finde es gut, dass wir hier etwas zusammen machen und nicht nur reden", erzählt sie, während sie Auberginen für die Gemüselasagne in kleine Stücke schneidet. Früher hat ihr Mann, der vor zwei Jahren gestorben ist, jeden Abend gekocht. Jetzt sollen die Mahlzeiten für sie vor allem schnell gehen: "Ich esse nicht gerne alleine."
Gemeinsames Einkaufen, Kochen und Essen fällt weg
Wenn der Partner gestorben ist, fällt für viele das gemeinsame Einkaufen, Kochen und Essen weg, erzählt Gabriele Lutz von der Elbdiakonie am Telefon. Das reiße ein riesiges Loch. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Elke Lütgenau-Hawae hat sie die Kochgruppe im vergangenen Herbst ins Leben gerufen. Viele Trauernde erzählten ihr, dass sie sich nur noch "mit einer Stulle vor den Fernseher setzen". Es geht den beiden Hospizkoordinatorinnen also auch darum, dass die Trauernden sich wieder besser versorgen - und dabei gleichzeitig neue Kontakte knüpfen. In vielen Städten in Deutschland werden solche Kochgruppen für Trauernde mittlerweile angeboten.
Beim Kochen kommen immer wieder Erinnerungen hoch. "Das hat mein Mann auch immer gerne gegessen", ist ein Satz, der so oder so ähnlich oft fällt an diesem Abend. Die 76-jährige Helga hat lange keinen holländischen Matjes essen können, "weil mein Mann den so gerne mochte". Auch das traditionelle Zwiebelkuchenessen im Herbst hat sie bisher ausfallen lassen, zu schmerzhaft war die Erinnerung. "Aber vielleicht backe ich dieses Jahr wieder einen." Beim Essen redet sie manchmal noch mit ihrem Mann: "'Das hätte dir auch geschmeckt', sage ich ihm dann."
Die Kürbissuppe, um die Helga sich heute gekümmert hat, kommt als Erstes auf den langen Tisch im Gastraum, an dem sich nun alle versammelt haben. Allen schmeckt es, und Helga freut sich über das Lob: "Das hab ich ja sonst nicht mehr!" Eifrig wird diskutiert, mit welchen Zutaten man die Kürbissuppe noch verfeinern könnte. Und was soll das Thema für das nächste Menü sein: Asiatisch oder doch lieber Sauerkraut?
Am Ende nehmen fast alle die Zettel mit den Rezepten mit nach Hause, und auch der Rest der Gemüselasagne wird in Tupperdosen in den Handtaschen verstaut. Alle sind froh, dass sie sich aufgerafft haben, rauszugehen und hierherzukommen. Und gehen mit einem schönen warmen Gefühl im Bauch nach Hause.