Immer freitags, höchstens fünf Minuten und mit begrenzter Lautstärke: Von der Großmoschee der Türkisch-Islamischen Union (DITIB) ruft künftig der Muezzin die Muslime im Kölner Stadtteil Ehrenfeld zum Gebet. Bedingung der Stadt war unter anderem ein Schallgutachten zur Begrenzung der Lautstärke. Es wird sich zeigen, wie laut es tatsächlich wird - und wie das Umfeld reagiert, wenn aus dem Anstoß von Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) aus dem vergangenen Jahr hörbare Realität wird.
Die Ankündigung der Stadt zu dem auf zwei Jahre befristeten Modellprojekt, auf das sich bislang lediglich die DITIB-Gemeinde bewarb und für das zehn weitere Moscheegemeinden Interesse bekundeten, stieß vor einem Jahr in der Öffentlichkeit auf ein geteiltes Echo. Dass der Gebetsruf hierzulande genauso selbstverständlich zu hören sein sollte wie Kirchenglocken, lehnten drei von vier Befragten in einer Civey-Umfrage im Auftrag des "Bonner General-Anzeigers" ab. Zwei von drei Befragten (64 Prozent) sagten sogar, dass der Gebetsruf "auf keinen Fall" auf ähnliche Weise zu hören sein sollte wie christliche Kirchenglocken.
Die Stadt Köln begründete ihr Vorhaben mit Toleranz und dem Recht auf Religionsausübung, der Islam sei seit vielen Jahren ein fester Bestandteil der deutschen Gesellschaft. Reker sprach von einem Zeichen der gegenseitigen Akzeptanz der Religion: "Wenn wir in unserer Stadt neben dem Kirchengeläut auch den Ruf des Muezzins hören, zeigt das, dass in Köln Vielfalt geschätzt und gelebt wird."
Die eng mit der türkischen Religionsbehörde in Ankara verbundene DITIB als Trägerin der Moscheegemeinde ist laut den städtischen Vorgaben verpflichtet, Anwohner zu informieren und einen Ansprechpartner zu benennen. Der Stadtteil Ehrenfeld ist dicht bewohnt, mit viel Einzelhandel und Gastronomie. Von den rund 109.000 Ehrenfeldern hat knapp jeder zehnte einen türkischen Migrationshintergrund.
Bedenken aus der Lokalpolitik
Bereits 1996 hatte sich der Rat der Stadt Köln für einen repräsentativen Moscheebau starkgemacht und suchte ab 1999 nach geeignetem Grund für einen Zusammenschluss von zehn lokalen Vereinigungen von Muslimen vor allem aus nordafrikanischen und arabischen Ländern. Doch das Vorhaben geriet ins Stocken. Zur Uneinigkeit unter den Mitgliedern kamen Bedenken aus der Lokalpolitik: Der Zusammenschluss vertrete nur eine Minderheit, einige würden von Saudi-Arabien gesteuert.
2001 beantragte dann der Verein DITIB, der für türkische Muslime Gebet und Programm in einem ehemaligen Industriebau auf eigenem Grund in Ehrenfeld anbot, dort mit eigenem Geld eine Großmoschee zu bauen. Sie positionierte sich mit einem integrativen Konzept einer Großmoschee, die allen Muslimen offen stehen sollte. Der damalige Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) wurde ein zentraler Fürsprecher des Baus, 2003 gab der Stadtrat grünes Licht.
Den Auftrag für das Gotteshaus mit einer 34,5 Meter hohen Betonkuppel und zwei 55 Meter hohen Minaretten erhielt das Architekturbüro Paul Böhm. Die Präsentation seines Entwurfs 2006 markierte den Auftakt zu massiver Kritik, Demonstrationen und Gegendemonstrationen folgten. Die rechtspopulistische Organisation "Pro Köln" scheiterte mit einem Bürgerbegehren zur Verhinderung des Baus.
Der Schriftsteller Ralph Giordano kritisierte die weitgehende Finanzierung durch die türkische Religionsbehörde, zudem verkörpere die Größe der Moschee einen Machtanspruch. Auch andere betrachteten den Entwurf als überdimensioniert. Der damalige Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, warb für eine zurückhaltendere Gestaltung der "triumphierend angelegten" Architektur.
Ein Entwurf mit reduzierter Fläche erhielt schließlich die Genehmigung, die Höhe der Minarette blieb. 2009 begannen die Bauarbeiten, 2017 wurde der Kuppelsaal mit Platz für 1.100 Gläubige zum ersten Mal genutzt. Im September 2018 folgte die offizielle Eröffnung mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, begleitet von einem Großeinsatz der Polizei, Demo und Gegendemo.
Unterstützer aus Politik und Gesellschaft blieben der Eröffnung fern
An dem Festakt nahm kein deutscher Politiker teil. Unterstützer aus Politik und Gesellschaft fühlten sich durch die Erdogan-Einladung brüskiert. Zudem wurde der DITIB vorgeworfen, türkische Oppositionelle in Deutschland im Auftrag von Ankara bespitzelt zu haben. Bund und Land Nordrhein-Westfalen gingen seither auf Distanz. Der Bund fördert keine DITIB-Projekte mehr.
In NRW ist die DITIB als größter Moscheeverband aber bei der Gestaltung des islamischen Religionsunterrichts an Schulen in einer begleitenden Kommission vertreten.