Berlin (epd). Der Migrationsforscher Gerald Knaus führt die steigenden Asylbewerberzahlen auf eine „Entleerung“ der sogenannten Balkanroute zurück. Viele der jetzt nach Deutschland kommenden Geflüchteten hätten sich in den vergangenen Jahren in anderen europäischen oder anderen EU-Ländern aufgehalten und zögen jetzt wegen der schlechten örtlichen Bedingungen weiter, sagte der Leiter des Think Tanks „Europäische Stabilitätsinitiative“ am Mittwoch im Inforadio des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB). Durch die Pandemie sei diese Entwicklung zunächst verzögert worden.
So kämen aktuell auf den griechischen Inseln kaum noch neue Flüchtlinge an, beispielsweise aus Syrien. Zugleich sei die Zahl von 100.000 Geflüchteten auf dem griechischen Festland mittlerweile auf etwa 30.000 gesunken. Die neue Hauptfluchtroute führe über das Mittelmeer unter anderem nach Italien. Auf dieser Route seien in den ersten neun Monaten 100.000 Personen gezählt worden, darunter viele Tunesier. Diese Menschen seien aber noch gar nicht in Deutschland angekommen, sagte Knaus.
Trotzdem spricht der Migrationsforscher wegen des Ukraine-Krieges aktuell von der größten Fluchtbewegung in Europa seit den 1940er Jahren. Vergleiche zur Situation von 2015/16 stimmten zahlenmäßig, aber ansonsten handele es sich wegen der Geflüchteten aus der Ukraine um eine vollkommen andere Situation. Als Beispiel nannte er Baden-Württemberg: „Von den 145.000, die in diesem Jahr in Baden-Württemberg Schutz bekamen, sind ungefähr 13.000 Asylsuchende aus anderen Ländern - und 130.000 Ukrainer.“