Der Bund stellt Ländern und Kommunen weitere Immobilien zur Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezifferte die Zahl am Dienstag in Berlin auf 56 zusätzliche Liegenschaften. Dabei handelt es sich nach ihren Worten um 4.000 Plätze zur dauerhaften Unterbringung von Schutzsuchenden. Zugleich wies sie darauf hin, dass in den bislang vom Bund bereitgestellten Unterkünften nur 68 Prozent der Plätze abgerufen worden seien. Städte und Landkreise hatten zuvor angesichts der gestiegenen Zahl von Schutzsuchenden Alarm geschlagen.
Nach einem Gespräch mit Vertretern von Ländern und kommunalen Spitzenverbänden unterstrich Faeser die Bereitschaft von Politik und Gesellschaft in Deutschland, Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen. Man müsse aber auch sagen: "Dieser humanitäre Kraftakt ist immer schwieriger zu bewältigen, je länger dieser furchtbare Krieg anhält", sagte Faeser.
Sorge macht ihr nach eigenen Worten der Anstieg von Anträgen im regulären Asylverfahren verbunden mit stärkerer Zuwanderung über die Balkanroute. Man müsse dort klar für Begrenzung sorgen, sagte Faeser und kündigte an, die Grenzkontrollen zum Nachbarland Österreich über November hinaus erneut um ein halbes Jahr verlängern zu wollen. Zudem kündigte sie Gespräche auf europäischer Ebene an. Dabei soll es um Schwierigkeiten bei der Rückführung von Asylsuchenden gehen, für deren Versorgung nach der Dublin-Verordnung eigentlich ein anderes EU-Land zuständig wäre. Auch über einen verstärkten Einsatz von Frontex will Faeser nach eigenen Worten reden.
Der Vizepräsident des Deutschen Städtetags, Burkhard Jung (SPD), sagte, die Flüchtlingssituation habe inzwischen eine Größenordnung erreicht, die mit den Jahren 2015 und 2016 zu vergleichen sei. In vielen Fällen seien Kommunen an der Grenze der Belastung angekommen, sagte der Leipziger Oberbürgermeister.
Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, erklärte nach dem Treffen: "Feldlager und Turnhallen sind keine Ideallösung."
Kommunen an Belastungsgrenze
Er begrüßte Faesers Ankündigung für eine Begrenzung der Fluchtzuwanderung über die Balkanroute. Zudem hänge die Entwicklung in der kalten Jahreszeit davon ab, wie gut es gelinge, in der Ukraine winterfeste Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, sagte Sager. Deutschland will den Bau solcher Unterkünfte Faeser zufolge unterstützen.
Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Bayerns Ressortchef Joachim Herrmann (CSU) drang auf weitere finanzielle Unterstützung des Bundes. Nach seinen Angaben sollen die zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und den Ministerpräsidenten der Länder darüber geführten Verhandlungen im November abgeschlossen werden. Der Bund war nach der Fluchtbewegung im Jahr 2015 befristet in die Finanzierung der Kosten für die Unterkunft von Flüchtlingen eingestiegen. Derzeit wird über eine Anschlussregelung verhandelt.
Rund eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine
Deutschland hat nach Faesers Worten inzwischen rund eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen, für die ein vereinfachtes Aufnahmeverfahren vereinbart wurde. Zusätzlich wurden in diesem Jahr bis Ende September rund 135.000 Erstanträge im regulären Asylverfahren gestellt.
Diakonie fordert gleiche Regeln für alle Flüchtlinge
Die Diakonie drang darauf, auch für diese Menschen die gleichen Regeln zu schaffen, die für Flüchtlinge aus der Ukraine etabliert wurden, etwa beim Bezug von Leistungen und der Erlaubnis, schnell eine Arbeit aufnehmen zu können. "Menschen, die zu uns kommen, müssen schnell in den Kommunen ankommen, statt über Monate untätig in Großeinrichtungen der Länder zu verharren", sagte Vorständin Maria Loheide.
Unterdessen haben die Flüchtlingsräte und Pro Asyl vom Frankfurter Flughafen ausgehende Sammelabschiebung nach Pakistan scharf kritisiert. Menschen in solch eine "humanitäre Ausnahmesituation abzuschieben, zeugt von besonderer Härte", sagte Johanna Böhm vom Bayerischen Flüchtlingsrat. Nach Angaben der Organisation wurden knapp 20 Menschen nach Pakistan abgeschoben, darunter wohl auch einige, die zuletzt in Bayern wohnhaft waren.
In Pakistan herrschen nach einer großen Flutkatastrophe teils chaotische Zustände und es droht nach Angaben mehrere Hilfsorganisationen eine humanitäre Katastrophe. Weder das bayerische Innenministerium noch das Landesamt für Asyl haben bislang auf eine Anfrage des epd zu der Sammelabschiebung reagiert. Flüchtlingshelfer kritisieren, dass einige Bundesländer nach wie vor nach Pakistan abschieben, während andere sie ausgesetzt haben