Hamburg, Berlin (epd). Die Umweltschutzorganisation Greenpeace macht für das massenhafte Fischsterben in der Oder im August Salzeinleitungen der polnischen Bergbauindustrie verantwortlich. Das habe die Analyse von 17 Wasser- und Bodenproben ergeben, die Ende August zwischen dem brandenburgischen Schwedt und der polnisch-tschechischen Grenze auf etwa 550 Kilometer Flusslänge genommen worden seien, teilte Greenpeace am Donnerstag in Hamburg mit. Dabei habe das deutsch-polnische Team durchgehend hohe Werte von Salzen und Schwermetallen gemessen.
Die höchsten Salzwerte fanden sich laut Greenpeace an einem Rückhaltebecken des Bergbaukonzerns KGHM in Gmina Polkowice (Woiwodschaft Niederschlesien). Dort habe der Salzgehalt 40-fach über den für Süßwasser empfohlenen Werten gelegen. Das salzhaltige Wasser begünstige die Vermehrung giftiger Algenarten wie Prymnesium parvum, die bei hohen Wassertemperaturen offenbar das Fischsterben ausgelöst habe.
Greenpeace sprach von einer vermeidbaren Umweltkatastrophe. „Hunderttausende Tiere sind qualvoll gestorben, weil grundlegende Kontrollen vernachlässigt wurden“, sagte Sprecherin Nina Noelle. Die Umweltschützer fordern von der polnischen und deutschen Regierung, den Fluss künftig zu renaturieren, rund um die Uhr zu überwachen und das Einleiten von schädlichen Substanzen zu verbieten.
Anfang August war in Brandenburg und Polen ein massives Fischsterben in dem Grenzfluss beobachtet worden. Tonnenweise tote Fische wurden geborgen.
Bereits am Mittwoch war bekannt geworden, dass es einen ursprünglich für Ende September geplanten gemeinsamen Bericht eines polnisch-deutschen Expertenrats zu der Umweltkatastrophe wohl nicht geben wird. Der „Spiegel“ hatte berichtet, stattdessen solle nun jeweils ein polnischer und ein deutscher Bericht mit je eigener Sicht vorgelegt werden. Hintergrund sollen Verstimmungen auf beiden Seiten seien. Ursprünglich hatte sich Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) mit ihrer polnischen Amtskollegin Anna Moskwa Ende August auf einen gemeinsamen Bericht geeinigt.
Die Umweltorganisation WWF Deutschland fordert unterdessen erneut einen sofortigen Stopp der Ausbauarbeiten an der Oder. Die Bundesregierung müsse die 2015 mit Polen beschlossenen Arbeiten neu bewerten, erklärte der WWF am Donnerstag in Berlin. Statt eines Ausbaus seien umfangreiche Maßnahmen zur Revitalisierung des Flusses geboten, beispielsweise die Wiederanbindung von Nebengewässern.
Die Umweltorganisation verwies auf die Einschätzung wissenschaftlicher Einrichtungen beiderseits der Oder, die Polnische Akademie der Wissenschaften, die Polnische Hydrobiologische Gesellschaft und das Leibnitz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin. Alle drei wissenschaftlichen Einrichtungen wenden sich laut WWF in Positionspapieren zu dem massenhaften Fischsterben im August gegen den weiteren Ausbau der Oder.
Die menschengemachte Katastrophe habe das Flussökosystem massiv geschädigt, hieß es. „Mit der weiteren Kanalisierung ist die nächste Katastrophe vorprogrammiert“, erklärte WWF-Gewässerexperte Tobias Schäfer. Die polnische Regierung hält bislang an einem Ausbau des Grenzflusses fest.