Stuttgart (epd). Württembergs knapp zwei Millionen Protestanten haben einen neuen Bischof: Mit der feierlichen Übergabe des Amtskreuzes ist Ernst-Wilhelm Gohl am Sonntag in einem Festgottesdienst in der Stuttgarter Stiftskirche in sein Amt eingeführt worden. Rund 600 geladene Gäste - darunter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) - waren dabei, als Gohl das Amtskreuz von seinem Vorgänger, Frank Otfried July, empfing. July geht nach 17 Bischofsjahren als dienstältester Bischof in den Ruhestand.
In seiner ersten Predigt als Bischof warb Gohl, Zweifel in kirchlichen Debatten zuzulassen. „Eine Kirche, die dem Zweifel keinen Raum lässt, wird zur Sekte“, sagte er. „Bei manchen Diskussionen gerade bei ethischen oder moralischen Fragen wünschte ich mir mehr Zweifel - denn meist schafft eine einzige, alles andere ausschließende Lösung ja wieder neue Probleme“, betonte der Theologe, der zuletzt Dekan des evangelischen Kirchenbezirks Ulm gewesen war.
Als Beispiel nannte der 59-Jährige den Streit um die Waffenlieferungen in die Ukraine. Zwar sei er überzeugt, dass Frieden letztlich nicht mit Waffengewalt zu erreichen sei. Doch halte er es für ethisch und christlich geboten, einem Land zu helfen, das überfallen wird und dessen Dörfer und Städte in Schutt und Asche gelegt werden. Ein Frieden ohne Gerechtigkeit würde nur den „Sieg der Gewalt“ bedeuten, sagte der Bischof. Aufgabe der Kirche sei es auch nach 2.000 Jahren, die Liebe Gottes zu bezeugen. So verstehe er auch sein Amt als Landesbischof, sagte Gohl.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann nannte das Bischofsamt angesichts der aktuellen großen Herausforderungen für die Kirchen „sehr anspruchsvoll“. Er wünschte dem neuen Landesbischof und allen, die in der Kirche Verantwortung tragen, dass sie angesichts von starken Mitgliederschwund nicht verzagen, sondern dass „die Kirchen weiter die Gesellschaft durchtränken mit dem, was sie braucht: Glaube Hoffnung und Liebe.“
Das Wirken Julys würdigte der Ministerpräsident mit dem Hinweis auf dessen Bemühen, zwischen den Flügeln in der Landeskirche Brücken zu bauen. Im Verhältnis zum Staat habe July „stets Kontakt gesucht, das offene Wort dabei nicht gescheut“. Die persönlichen Gespräche mit dem scheidenden Landesbischof hätten ihn persönlich immer bereichert und gestärkt im Glauben, so Kretschmann.
Gebhard Fürst, Bischof der katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart, sagte, er sei sehr dankbar für das gute geschwisterliche Verhältnis der evangelischen und katholischen Bischöfe im Land. In einer Zeit wie heute, die von schweren Krisen und dramatischer Unsicherheit gekennzeichnet ist, sei der Glauben eine Kraftwelle, ein „Unterwegssein, das getragen ist in Hoffnung“.
Dem scheidenden Landesbischof July sei besonders eine diakonische Kirche am Herzen gelegen, die tätige Nächstenliebe lebt. Für seinen Einsatz als Landesbischof zeichnete Fürst July mit der großen Martinusmedaille aus - der größten Auszeichnung seiner Diözese. Dem neuen Landesbischof Gohl sagte Fürst: „Lassen Sie uns miteinander unterwegs sein für eine immer größere Einheit im Glauben und im Leben“.
Sabine Foth, Präsidentin des württembergischen „Kirchenparlaments“, der Landessynode, empfahl dem neuen Bischof Gottvertrauen für seine Amtsführung. So würden seine Vorhaben gelingen, sagte sie unter Berufung auf einen Bibelvers aus dem Buch der Sprüche.
Martin Junge, ehemaliger Generalsekretär des Lutherischen Weltbunds, dankte July, der sieben Jahre lang Vizepräsident des Lutherischen Weltbunds war, für seine Arbeit. Die Menschheit stehe vor enormen Herausforderungen, sagte Junge. Hier werde der Auftrag der Kirchen umso wichtiger, eine Stimme der Hoffnung und Versöhnung in das Weltgeschehen einzubringen.