Allerdings bedeute das noch keine Autokephalie im orthodox-kirchenrechtlichen Sinne, sagte die Leiterin des Konfessionskundlichen Instituts des Evangelischen Bundes im südhessischen Bensheim dem Evangelischen Pressedienst (epd). Denn man habe ausdrücklich auf den Begriff "Autokephalie" verzichtet, der die vollständige Unabhängigkeit bezeichnet: "Das ist jetzt ein merkwürdiger Zwischenzustand." Man sei in Gemeinschaft "mit, aber nicht mehr unter Moskau".
Das Moskauer Patriarchat habe der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) schon 1990 die sogenannte Autonomie zugesprochen, erklärte Heller. Seitdem verwaltet sie sich selbst, kann fast alles selber entscheiden, "bis auf die Ernennung eines neuen Oberhauptes. Dieses muss von Moskau bestätigt werden." Unter anderem deshalb sei es keine Autokephalie. Daher habe Moskau den Entschluss bislang heruntergespielt und verstehe die Entscheidung der UOK nicht als Loslösung.
Autokephal - aus den altgriechischen Wörtern für "selbst" und "Haupt" - ist bereits eine Kirche in der Ukraine: die Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU). Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomäus I., hatte dieser aus der Fusion von zwei bis dahin nicht anerkannten orthodoxen Kirchen entstandenen neuen Kirche Anfang 2019 die Autokephalie zuerkannt, d.h. das Recht, ihr Oberhaupt selbst zu bestimmen. Aber nach orthodoxer Auffassung kann es in einem Land nur eine einzige orthodoxe Kirche geben.
In der bislang noch nicht offiziell veröffentlichten Änderung ihrer Statuten vom 27. Mai habe die bislang moskautreue Ukrainische Orthodoxe Kirche "offenbar alles gestrichen, wo das Moskauer Patriarchat erwähnt wird", sagte Heller. Das Oberhaupt der Ukrainischen Orthodoxen Kirche, Metropolit Onufrij, habe zudem jüngst in der Gottesdienstliturgie aller Oberhäupter der anderen autokephalen Kirchen gedacht ("kommemoriert"), "was nur die Leiter von autokephalen Kirchen tun", so Heller.
De facto sei damit die Autokephalie erklärt worden, aber eben nicht ausdrücklich, sagte Heller. Offenbar sei das bewusst so gemacht worden, "um das Ganze in der Schwebe zu halten". Mit diesem Schritt habe die Ukrainische Orthodoxe Kirche vor allem ihre Situation in der Ukraine erleichtern wollen, immerhin sei sie unter anderem als fünfte Kolonne Moskaus bezeichnet worden. Sie sollte sogar verboten werden, weil sie als zu moskautreu galt. Heller: "Das kann man ihnen jetzt jedenfalls nicht mehr vorwerfen".