Experte: Neue Vatikan-Verfassung ist weltanschauliche Wende

Experte: Neue Vatikan-Verfassung ist weltanschauliche Wende
04.06.2022
epd
epd-Gespräch: Franziska Hein

Frankfurt a.M., Rom (epd). Die neue Verfassung des Vatikans ist nach Ansicht des Experten Marco Politi eine weltanschauliche Wende in der Spitze der katholischen Kirche. Evangelisation und Wohltätigkeit würden mit der Reform stärker akzentuiert, sagte der Journalist und Publizist dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Glaubenskongregation stehe beispielsweise nicht mehr wie bislang an erster Stelle der vatikanischen „Ministerien“, stattdessen habe Papst Franziskus ein neues Ministerium für Evangelisation geschaffen, das er selbst führen wolle.

Die Kurienreform des Heiligen Stuhls soll an Pfingsten in Kraft treten. Politi sagte, sie sei weniger eine reine Strukturreform, sondern zeige die Vision des Papstes von einer Kirche, die in der Tradition der ersten Apostel die frohe Botschaft verkünde und im Geist des guten Samariters leben solle. Auch die Prävention von Missbrauch werde in der Verfassung verankert. Die Kommission für den Schutz der Minderjährigen gehöre nun zum Dikasterium für die Glaubenslehre.

Neu sei zudem, dass auch Laien, damit auch Frauen, offiziell die Leitung der neuen zentralen Behörden einnehmen dürfen, der sogenannten Dikasterien, sagte Politi. Davon gibt es 16 in der neuen Verfassung. Drei bisherige Kategorien päpstlicher Behörden - Kongregationen, Räte, Dikasterien - heißen nun alle „Dikasterien“.

Politi sagte, dass viele Neuerungen, die jetzt auf dem Papier bestünden, schon seit Jahren praktiziert würden. So gebe es schon länger auch Frauen in den Führungsämtern des Vatikans. Beispielsweise gebe es die Untersekretärin der Bischofssynode, Schwester Nathalie Becquart, mit der in der kommenden Weltsynode erstmals auch eine Frau Stimmrecht habe.

Als dritten zentralen Punkt der Kurienreform nannte Politi die Reorganisation des Bereichs Wirtschaft und Finanzen im Vatikan, um Korruption und Misswirtschaft vorzubeugen. Erstmals gebe es eine zentrale Verwaltungsbehörde, die zusätzlich durch ein weiteres Gremium kontrolliert werde.