Karlsruhe, Wittenberg (epd). Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe verhandelt am Montag über eine judenfeindliche Schmähplastik an der Stadtkirche von Wittenberg. Das Gericht muss entscheiden, ob die aus dem 13. Jahrhundert stammende sogenannte Wittenberger „Judensau“ von der Kirche entfernt werden muss und ob das Sandsteinrelief den Tatbestand der Beleidigung erfüllt. Kläger ist das Mitglied einer jüdischen Gemeinde, Beklagte ist die evangelische Stadtkirchengemeinde. (VI ZR 172/20)
Die Plastik von 1290 zeigt eine Sau, an deren Zitzen sich Menschen laben, die Juden darstellen sollen. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz und in den After.
Der Kläger hatte gegen ein vorheriges Urteil des Oberlandesgerichtes Naumburg (OLG) vom Februar 2020 Revision eingelegt. Demnach muss das Relief nicht beseitigt werden, weil es aktuell keinen beleidigenden Charakter mehr habe. Es sei in ein Gedenkensemble eingebunden und stelle damit keine Missachtung von Juden mehr dar. Unterhalb der Schmähplastik hat die Gemeinde 1988 ein Mahnmal mit Erklär-Text aufgestellt, in dem sie sich von der Skulptur distanziert.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) betonte vor dem Prozess, die Wittenberger „Judensau“ stelle fraglos eine Schmähung dar und könne so nicht bleiben. Solche Skulpturen einfach von den Kirchen zu entfernen, würde aber zu kurz greifen: „Denn antijüdische Geschichte lässt sich nicht ungeschehen machen, indem man ihre Zeugnisse abschlägt und glättet“, sagte der EKD-Antisemitismusbeauftragte Christian Staffa.
Neben dem Relief in Wittenberg gibt es auch an zahlreichen anderen Kirchen in Deutschland derartige Schmähplastiken, laut Bundesgerichtshof rund 50 Exemplare.