Stuttgart (epd). Die Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa hat gefordert, Fragen der nationalen Gerechtigkeit auch angesichts des Ukraine-Krieges nicht aus dem Auge zu verlieren. Mit dem Koalitionsvertrag habe man die Hoffnung gehabt, dass die Armut in Deutschland entschlossen angegangen würde, etwa durch eine Strategie zur Überwindung der Wohnungslosigkeit bis 2030, sagte die Verbands-Chefin der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“ (Montag). „Jetzt haben wir die Sorge, dass die Kräfte fehlen.“ Die steigenden Preise für Energie und Nahrungsmittel nannte sie „fatale Armutstreiber“. Menschen, die am Existenzminimum lebten, würden besonders getroffen.
Die Armutsentwicklung mache sich bei den Schuldenberatungsstellen bemerkbar, sagte Welskop-Deffaa. Die langen Schlangen vor den Tafeln nannte sie ein „Warnzeichen“. Sie forderte eine Neuberechnung des Existenzminimums und eine Reformierung der Sanktionen. „Viel zu oft sind die Sanktionen Auslöser, sich aus dem System des Forderns und Förderns zu verabschieden“, sagte sie. Jugendliche versuchten, ohne die Transferleistungen auszukommen, und nähmen die Beratungsangebote nicht mehr wahr, obwohl genau diese „die Brücke aus der Krise“ bauten.
Rufe nach einem bedingungslosen Grundeinkommen sieht die Caritas-Chefin kritisch. Dessen Einführung würde „mit dem Ende unseres differenzierten Hilfesystems erkauft, das auf konkrete Bedarfe mit passgenauen Leistungen reagiert“, warnte sie. „Dann bliebe statt Wohngeld und Kindergeld und Eingliederungshilfe nur die Pauschale, die letztlich Kosten spart.“
Mit Blick auf den Katholikentag in Stuttgart ab 25. Mai sagte sie, das Motto „leben teilen“ sei eine großartige Botschaft in der heutigen Zeit: „Es ist wichtig, das Miteinander zum Thema zu machen, weil das Auseinander so wirkmächtig ist.“