Freispruch für Bremer Pastor Latzel vom Vorwurf der Volksverhetzung

Freispruch für Bremer Pastor Latzel vom Vorwurf der Volksverhetzung
Landgericht der Hansestadt betont Religions- und Meinungsfreiheit
Das Verfahren um die umstrittenen Äußerungen des evangelikalen Bremer Pastors Olaf Latzel hat emotional hohe Wellen geschlagen. Das Landgericht in Bremen machte sich davon frei und bemühte sich in seinem Urteil um eine nüchterne Bewertung.
20.05.2022
epd
Von Dieter Sell (epd)

Bremen (epd). Das Bremer Landgericht hat den evangelischen Pastor Olaf Latzel vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen. Nach drei Verhandlungstagen kippte die Kammer damit am Freitag das erstinstanzliche Urteil. Latzel habe nicht vorsätzlich gehandelt. Er habe mit seinen Worten gesellschaftliche Konzepte angegriffen, nicht konkrete Menschen. Zum Hass habe er nicht aufgestachelt, sagte der Vorsitzende Richter Hendrik Göhner in seiner Urteilsbegründung. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Bestätigung des Schuldspruchs verlangt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (AZ: 51 NS 225 JS 26577/20, 10/21)

Das Gericht folgte damit dem Plädoyer der Verteidigung, für die Latzels Äußerungen von der Religions- und Meinungsfreiheit gedeckt waren. Der Vorsitzende Richter sah es nicht als erwiesen an, dass sich der 54-jährige, streng konservative Pastor der Bremer St.-Martini-Gemeinde in einem auf Youtube veröffentlichten Eheseminar homosexuellenfeindlich und volksverhetzend geäußert hat. Er habe von der Bibel her argumentiert, schloss sich Göhner der Einschätzung des Wiener katholischen Bibelwissenschaftlers Ludger Schwienhorst-Schönberger an, der im Verfahren als Sachverständiger ausgesagt hatte.

Im Oktober 2019 hatte Latzel in einer „biblischen Fahrschule zur Ehe“ vor 30 Paaren unter anderem gesagt, Homosexualität sei eine „Degenerationsform von Gesellschaft“. Der Theologe warnte vor einer „Homolobby“: „Überall laufen die Verbrecher rum vom Christopher Street Day. Der ganze Genderdreck ist ein Angriff auf Gottes Schöpfungsordnung, ist teuflisch und satanisch.“ Eine Tonaufnahme davon war im März des Folgejahres mit Zustimmung des Pastors auf dem Youtube-Kanal des Theologen veröffentlicht worden. Das Amtsgericht der Hansestadt hatte Latzel für seine Worte im November 2020 zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, umgewandelt zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 90 Euro.

Dagegen hatte sich Latzel mit der Berufung gewehrt und betont, er habe sich gegen Homosexualität und Gender-Mainstreaming gestellt, nicht aber gegen homosexuelle Menschen. Er sehe sich an das Wort Gottes gebunden, das Homosexualität verurteile. Mehrfach hatte er sich für missverständliche Äußerungen entschuldigt: „Ich wollte und werde niemanden als Menschen diskreditieren.“ Das passe nicht zu seinem christlichen Menschenbild. Er sage ein „absolutes Ja zu jedem Homosexuellen“.

Der Richter glaubte Latzel und sah die Entschuldigung nicht als Schutzbehauptung. In gesellschaftlicher Hinsicht allerdings, ergänzte Göhner am Ende seiner 25-minütigen Begründung, seien seine Äußerungen „mehr als befremdlich“. Sie leisteten keinen Beitrag für ein Klima, „in dem alle Menschen gut miteinander auskommen“.

Verteidiger Sascha Böttner sagte, sein Mandant sei erleichtert. „Mit dem Urteil ist ein großer Druck von ihm abgefallen.“ Das Gericht habe den Sachverhalt vernünftig und objektiv beurteilt.

Vor dem Landgericht hatten etwa 50 Anhänger der queeren Community gegen die Entscheidung des Landgerichtes demonstriert. Sie bezeichneten die Entscheidung der Kammer als „Skandal“. Robert Dadanski vom Vorstand des Christopher Street Days in Bremen sagte dem epd, er sei „fassungslos“.

Die Staatsanwaltschaft kann bis zum Freitag kommender Woche Revision vor dem Oberlandesgericht einlegen. Das werde jetzt geprüft, sagte eine Sprecherin der Anklagevertreter dem epd.

Unklar ist, wie ein Disziplinarverfahren ausgeht, das die Bremische Evangelische Kirche gegen Latzel angestrengt hat und das unabhängig vom Urteil läuft. Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Landgerichtes ruht das Verfahren. Bremens leitender evangelischer Theologe Bernd Kuschnerus sagte dazu: „Es ist unstrittig, dass nach dienstrechtlicher Einschätzung Ausgrenzung und Verunglimpfung von Personen durch einen Pfarrer nicht tragbar sind.“