Auch unter den Pastoren der 1934 als Oppositionsbewegung gegründeten "Bekennenden Kirche" waren 30 Prozent Parteimitglieder. Die Kirche, so Hertz, sei eine "NS-herrschaftstragende Säule" gewesen.
Die Schleswig-Holsteinische Landeskirche habe die NS-Ideologie weitgehend mitgetragen, sagte Bischöfin Kirsten Fehrs. Eine Altarinschrift wie "Unser Glaube ist der Sieg" zeige, in welchem Maße christlicher Glaube und NS-Ideologie vermengt wurden. Gefehlt habe vor allem das Eintreten für die Opfer des NS-Staates wie Juden, Homosexuelle, Jehovas Zeugen, Sinti und Roma.
Deutlich wurde die Unterstützung des NS-Staates unter anderem durch Gottesdienste zu NS-Feiertagen, die Ausstellung der Arier-Nachweise und Hakenkreuzfahnen an den Kirchen, sagte Hertz. Zahlreiche Pastoren seien schon vor der Machtübernahme 1933 für die SA tätig gewesen und hätten sich zum Teil blutige Saalschlachten geliefert. Nach 1933 seien von den 729 Pastoren 139 Mitglied der SA gewesen.
"Mythen der Nachkriegszeit"
64 SA-Mitglieder waren Pastoren der "Bekennenden Kirche", die sich nach 1945 oft als Hort des Widerstands inszenierte. Zwar habe sich die "Bekennende Kirche", zu der etwa die Hälfte der Pastoren im Norden zählte, gegen die Gleichschaltung der Kirche im NS-Staat gewehrt, so Hertz. Die große Mehrheit habe aber dennoch mit dem NS-Staat sympathisiert. Dass die Kirche unter Zwang gehandelt und Opfer gebracht habe, zähle zu den "Mythen der Nachkriegszeit".
Mit Ewald Dittmann wurde in Dithmarschen ein Pastor im KZ ermordet, weil er sich weigerte, mehr Flüchtlinge in seinem Pastorat aufzunehmen. Er sei aber vor allem ein Opfer staatlicher Willkür gewesen. Der hingerichtete Pastor Friedrich Stellbrink gehörte der selbstständigen Lübecker Kirche an. Nur vier Pastoren der Landeskirche sind nach den Untersuchungen Hertzs tatsächlich Opfer des NS-Staates geworden. Die Aussagen einiger Pastoren nach Kriegsende, sie hätten heimlich Juden versteckt, hätten nicht belegt werden können.
Zur Landeskirche zählten neben dem überwiegenden Teil von Schleswig-Holstein auch die Hamburger Gemeinden in Wandsbek, Rahlstedt, Altona und Niendorf. Sie fusionierte mit den selbstständigen Kirchen in Lübeck, Eutin und Hamburg 1977 zur Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche.
Hertz hatte für seine Dissertation die Lebenswege und politische Orientierung aller 729 Pastoren verfolgt, die zwischen 1933 und 1945 im Amt waren. Untersucht hat er vor allem Personal- und Entnazifizierungsakten sowie Gemeindechroniken und Predigten. Die Ergebnisse seines 1.800 Seiten starken Werks sind im Netz unter https://pastorenverzeichnis.de zu finden. Es ist nach eigenen Worten die bundesweit erste empirisch belastbare Studie einer Landeskirche während der NS-Zeit.