Münster, Erkelenz-Lützerath (epd). Der Energiekonzern und Bergbaubetreiber RWE darf die Grundstücke des Landwirts Eckardt Heukamp in Lützerath zur Braunkohleentwicklung abbaggern und die dafür nötigen Vorbereitungen treffen. Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster wies am Montag die Beschwerden des Landwirts und zweier Mieter gegen entsprechende Eilbeschlüsse des Verwaltungsgerichts Aachen zurück. Damit kann RWE nun in dem Erkelenzer Ortsteil Lützerath roden, Gebäude abreißen und anschließend dort Braunkohle gewinnen (AZ: 21 B 1675/21 und 21 B 1676/21, I. Instanz: VG Aachen 6 L 418/21 und 6 L 433/21). Die Beschlüsse sind unanfechtbar. Klimaaktivisten kündigten nach dem Urteil Protest an. Der Landwirt Heukamp will so lange wie möglich auf seinem Hof bleiben.
Heukamp, der Eigentümer der umstrittenen Liegenschaften, kündigte an, in den kommenden 14 Tagen zu prüfen, ob er vor den Bundesgerichtshof zieht. Auf jeden Fall werde er seinen Hof nicht einfach verlassen, sagte er der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Dienstag). „Ich werde möglichst lange bleiben. Warten wir mal ab, wie die politische Lage in ein paar Monaten aussieht.“ Dass RWE so schnell wie möglich auf sein Grundstück wolle, sei klar. Niemand wisse, wann genau das sein werde. „Aber letztlich werde ich es nicht verhindern können“, sagte er.
Kritik an dem Urteil des OVG Münster kam von Klimaschützern und von Greenpeace. Der Klimaexperte der Organisation, Karsten Smid, forderte von der NRW-Landesregierung und von der Bundesregierung, „mit einem sofortigen Abrissstopp für Lützerath dafür zu sorgen, dass die Kohlevorkommen unter dem Ort nicht ausgebeutet werden und 900 Millionen Tonnen CO2 der Atmosphäre erspart bleiben“.
Die Bewegung „Ende Gelände“ kündigte Proteste an. Nach dem Gerichtsurteil sei Lützerath, das unmittelbar an der Grubenkante des Tagebaus Garzweiler II liegt, akut vom Abriss bedroht. „Wir werden Lützerath verteidigen, ob mit Demos, Sitzblockaden oder Baumhäusern - wir sind viele und wir werden nicht ruhen, bis der letzte Kohlebagger stillsteht“, erklärte am Montag Sprecherin Jona Heidner. Wenn der „fossile Wahnsinn“ weitergehe, befeuere die Klimakrise weitere Kriege. Unter dem Vorwand der Versorgungssicherheit nutzten Energiekonzerne den Ukrainekrieg, um an der Kohle, dem „dreckigsten Energieträger der Welt“, festzuhalten, kritisierte sie.
Heukamp und zwei Mieter von Wohnhäusern auf dessen historischer Hofanlage hatten sich im vergangenen Jahr mit Eilanträgen gegen Beschlüsse der Bezirksregierung Arnsberg gewandt, mit denen die RWE Power AG vorzeitig in den Besitz der Grundstücke an der Abbruchkante des Tagebaus Garzweiler eingewiesen wurde. Das Verwaltungsgericht Aachen (VG) hatte im Oktober die Anträge des Hofeigentümers und der Bewohner abgelehnt und die Besitzeinweisung bestätigt, die dem Energiekonzern Zugriff auf die Liegenschaften gibt. Eine Besitzeinweisung greift laut OVG der Enteignung des Landwirtes vor, mit der das Eigentum auf RWE übergeht.
Das Oberverwaltungsgericht erklärte, die Beschwerden setzten sich nicht konkret genug mit der Begründung der Eilbeschlüsse des VG Aachen auseinander. Dieses habe dargelegt, dass „die geltende energiepolitische Grundentscheidung“ für Braunkohleförderung und -verstromung „mit dem verfassungsrechtlichen Klimaschutzgebot vereinbar“ sei. Die für eine Besitzeinweisung erforderliche Dringlichkeit der Fortsetzung des Abbaus entstehe daraus, dass zwei Braunkohlekraftwerke „just-in-time“ mit Kohle aus dem Tagebau Garzweiler versorgt werden, wie die Richter ausführten. Es reiche für die Besitzeinweisung aus, dass die Versorgung des Energiemarkts mit Braunkohle gefährdet sei.
Lützerath ist zum Symbol des Widerstandes gegen die Braunkohle geworden. Laut OVG sind beim Verwaltungsgericht Aachen noch verschiedene Klagen gegen behördliche Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Tagebau Garzweiler anhängig, so etwa gegen den Hauptbetriebsplan 2020 bis 2022 und gegen die Grundabtretung an RWE.