München (epd). Der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx bittet katholische Kirchen-Zweifler darum, nicht voreilig aus der Kirche auszutreten. „Wir brauchen auch die kritischen Geister, wir brauchen die Suchenden, die Fragenden, die Zweifelnden, die Verärgerten“, sagte er am Mittwochabend in seiner Predigt im Münchner Liebfrauendom. Seit Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens nehmen katholische Kirche und Kommunen in Bayern ein deutlich gestiegenes Interesse an Kirchenaustritten wahr.
Am 20. Januar hatte die Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl ihr unabhängiges Gutachten über sexuellen Missbrauch im Erzbistum München und Freising in den Jahren 1945 bis 2019 vorgestellt. Sie fanden Hinweise auf mindestens 497 Betroffene und 235 Täter, davon 173 Priester. Dem emeritierten Papst Benedikt XVI. wird vorgeworfen, als Münchner Erzbischof (1977-1982) nicht entschieden genug gegen Missbrauchstäter vorgegangen zu sein. Auch Kardinal Marx sieht sich diesem Vorwurf ausgesetzt.
Bei einer Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag zeigte er sich erschüttert, zurücktreten wolle er vorerst aber nicht. Es könne keine Lösung sein, vor den Herausforderungen zu fliehen, sagte er dazu am Mittwochabend im Münchner Liebfrauendom. Er stelle sich aber schon die Frage, „wie soll man Bischof sein in dieser Zeit?“ Er wolle „ein synodaler Bischof sein“, das heiße, „noch gemeinschaftlicher im Miteinander der Kirche“ den bevorstehenden Weg zu gehen, betonte Marx.