Die Jugendlichen spielen im Gemeindehauskeller Tischtennis, die Senioren hocken im großen Saal bei Kaffee und Kuchen, das Kindergottesdienst-Team trifft sich und der Kirchenvorstand plant einen Familiengottesdienst. So geht es heute in einer evangelischen Kirchengemeinde in Bayern fast nirgends mehr zu. Seit Kirchenmitglieder, hauptamtliche und auch ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schwinden, kann nicht mehr jede Gemeinde alles machen. Im evangelischen Dekanat Erlangen gibt es daher seit zehn Jahren ein Vernetzungsprojekt.
"Am schönsten" könne man am Projekt "Familienfreundliche Kirche" zeigen, was mit einer solchen Vernetzung gemeint ist, erklärt der Erlanger Dekan Peter Huschke. "Wir haben festgestellt, es ziehen immer mehr Familien in unser Dekanat, aber wir erreichen sie nicht mehr automatisch." Zwölf Kirchenvorstände der 31 Kirchengemeinden in dem großen Bezirk, dessen Regionen an Nürnberg im Süden, Forchheim im Norden und Lauf im Osten grenzen, taten sich zusammen. Sie holten Menschen aus Kitas, aus Kindergottesdienst-Teams, aus der Diakonie oder der Bildung an den Tisch, berichtet Pfarrer Michael Maier, der bisher die halbe Dekanatsstelle als Netzwerker inne hatte. "Ganz unterschiedliche Perspektiven auf Familien kamen zusammen", blickt Maier zurück. Eine Sozialraumanalyse wurde erstellt, es gab Fachvorträge und Austausch.
Der Erfolg des Projekts misst sich nicht in neuen Eventformen und spektakulären Familiengottesdiensten, sondern in neuer Denke und mehr Motivation. Es sei ein Bewusstsein dafür geschaffen worden, "wie Familien heutzutage ticken", resümieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Herzogenaurach, aus Kirchengemeinden wie St. Markus oder der Thomasgemeinde Erlangen. Ergebnis: Schon vorhandene Angebote müssen sichtbarer werden, schreiben andere. Konkretes ist aber auch herausgekommen: Eine Spielecke für Kinder in der Kirche, eine Familienfreizeit oder der "tierische Familientag" mit der Tierbrücke unter dem Titel "MÄH" (Miteinander Äction in Herzogenaurach).
Veränderung als Konstante
Vier Jahre lang hat Michael Maier die Netzwerkarbeit geleistet und den Veränderungsprozess im Dekanat voranzutreiben versucht. "Wer will, dass die Kirche so bleibt, wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt" - der Satz ist für Maier ein Grundpfeiler seiner Arbeit. Nun ist er als Studienleiter in die Gemeindeakademie gewechselt und übergibt seine Aufgaben dem Kollegen Martin Hoepfner.
Der 36-jährige Pfarrer sagt, der Job habe ihn gereizt, "weil ich gern über den Kirchturm hinaus denke". Man müsse mehr sehen, "als die einzelne Pupskirchengemeinde". Der Dekan sitzt beim Gespräch dabei und zuckt nicht mit der Wimper bei solch flapsigem Ton. Er ist froh, dass er einen neuen Vernetzer im Dekanat hat, der tatsächlich für das Zusammenspiel der Kräfte vor Ort mit den Kräften in der Region brennt.
Netzwerk- gegen Konkurrenz-Denke tauschen
Schon bisher ist Hoepfner Notfallseelsorger und Vertreter des Bildungswerks, er hat die Diakonie im Blick und die Klinikseelsorge. "Die Aufgabe im Team hat mich gereizt", erklärt er. Er sitzt jetzt im Dekanatsausschuss Erlangen, hat darin aber keine Stimme. Das mache die Rolle als Berater oder Sprachrohr der Gemeinden leichter, erklärt Huschke.
In einem so großen heterogenen Dekanat wie Erlangen mit fast 70.000 Protestanten muss man sich vernetzen, sind Maier, Hoepfner, Huschke und dessen Dekan-Kollegen überzeugt. Hier gibt es die Universität, Siemens, Adidas und Schäffler im reichen Speckgürtel, aber auch die Protestanten im ländlichen Fast-Oberfranken. Zusammen 120 kirchliche Hauptamtliche tun im Dekanat Dienst. "Ein Wahnsinn", stöhnt Huschke. Die Studierendenpfarrerin und der Beerbacher Dorfpfarrer, dazwischen das Pfarrersehepaar in der Stadtgemeinde, alle sollten sie "Berufszufriedenheit" verspüren.
Daher der "Dekanatsentwicklungsprozess", der inzwischen noch zwei zusätzliche Ziele hat: Er soll den landeskirchlichen Reformprozess PuK (Profil und Konzentration) konkret werden lassen. "Und den derzeitigen Prozess der Landesstellenplanung können die Netzwerk-Denke und das Projektmanagement auch entlasten", findet Maier. Wenn Kirchenvorstände nicht denken, dass sie eine sterbende Gemeinde sind, weil sie keine eigene Gemeindejugend haben, sondern froh sind, dass Jugendliche bei der Kirche in der Region andocken, sei etwas erreicht. "Konkurrenzdenken abzulegen ist ein Lernprozess."
"Wir kriegen positive Rückmeldungen auf unseren Entwicklungsprozess", berichtet Dekan Huschke, ob sich substanziell etwas verändert hat, traue er sich nicht zu sagen. Das Grunddilemma der Kirche würden auch die Netzwerker nicht lösen, so der Dekan, "sie können auch keine heile Welt schaffen". Lächelnd fügt Huschke an: "Hoffentlich wird das nicht die Überschrift des Artikels".