Ihre Predigten haben einen zarten, nahezu lyrischen Ton. Doch Kirsten Fehrs kann bei Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus auch laut werden. Hamburgs Bischöfin feiert am 12. September ihren 60. Geburtstag mit einer musikalischen Andacht im Michel. Eine klerikale Pose ist ihr völlig fremd. Sympathien erwirbt sich die evangelische Theologin durch Fröhlichkeit und Humor. Als Anfang Juni nach zehn Jahren ihre Wiederwahl anstand, stimmten 97 Prozent der Nordkirchen-Synodalen für sie.
"60 Jahre ist ein tolles Alter", sagt Fehrs. Sie genieße den reichen Erfahrungsschatz und die vielen Beziehungen, die über die Jahre entstanden sind. "Und gleichzeitig ist noch genug Kraft und genug Perspektive da, um Neues anzupacken."
Sie sei heute noch gelassener als früher. Fehrs: "Ich muss nichts mehr beweisen, und ich muss nichts mehr werden." Sie kenne ihre Stärken, Grenzen und Schwächen besser als früher und könne sich auf das konzentrieren, was jetzt wichtig ist. Als junge Studentin habe sie sich gar nicht vorstellen können, 60 Jahre alt zu werden. "Menschen mit 60 waren damals einfach richtig alt."
Grundoptimistischer Mensch
Wenn sie an ihre Anfänge als Theologin denke, würde sie sich heute noch mehr als damals sagen: "Achte auf Deine Bodenhaftung." Wichtig sei, im Kontakt mit dem normalen Leben und mit dem Alltag der Menschen zu bleiben. Theologie sei dafür da, ganz praktisch Trost und Hoffnung zu geben, "in tiefer Trauer, in furchtbarem Schmerz, im grauen Alltag und natürlich auch in großem Glück".
Aufgewachsen ist Fehrs an der schleswig-holsteinischen Westküste als Tochter des Bürgermeisters in Wesselburen. Sie sei ein grundoptimistischer Mensch, sagt Fehrs. Schon in jungen Jahren habe sie trotz der Gefahren durch Atomkraft und den Kalten Krieg keine Katastrophenstimmung empfunden. "Wir hatten das Gefühl: Wenn wir etwas tun, wenn wir uns einsetzen, können wir etwas bewirken in der Welt." Aber dazu brauche es Klarheit, Haltung und Gemeinschaft.
Leute zusammenbringen
Nach ihrem Studium in Hamburg war sie Gemeindepastorin im holsteinischen Hohenwestedt und Bildungsreferentin. Seit ihrer Tätigkeit als Personal- und Organisationsentwicklerin ist sie mit den Binnenstrukturen und Befindlichkeiten ihrer Kirche bestens vertraut.
2006 wurde sie Pröpstin und Hauptpastorin an der Hamburger Hauptkirche St. Jacobi. Seitdem wohnt sie mit ihrem Ehemann, Pastor Karsten Fehrs, mitten in der City. Hier startet sie regelmäßig ihre morgendliche Joggingrunde. Zur Bischöfin wurde sie im Juni 2011 gewählt. Ihr Bischofsbezirk umfasst Hamburg, Lübeck und das Umland.
Wichtigstes Möbelstück in ihrer Bischofskanzlei in der Hafencity ist für sie ihr großer Besprechungstisch. Hier kann sie Menschen zusammenbringen, die sich normalerweise nicht begegnen, weil sie extrem unterschiedliche Meinungen haben oder aus verschiedenen Religionen kommen. So engagiert sie sich als Vorsitzende des Interreligiösen Forums Hamburg für den Dialog der Religionen, ist Botschafterin der Seemannsmission und wirbt für eine humane Flüchtlingspolitik.
Fehrs gehört dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an und will auch im Herbst wieder kandidieren. Bundesweit bekannt wurde sie für ihr Engagement gegen sexuellen Missbrauch in der evangelischen Kirche. Sie war bis 2020 Sprecherin des Beauftragtenrates der EKD zum Schutz vor sexualisierter Gewalt. Wenn über die Nachfolge des EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm spekuliert wird, fällt auch ihr Name. Doch Fragen zu der bevorstehenden Wahl auf der EKD-Synode im November lässt sie bislang unbeantwortet.