In einem bewegenden Gottesdienst im Aachener Dom haben die Kirchen und Spitzenvertreter des Staates am Samstag der Opfer der Hochwasserkatastrophe gedacht, bei der Mitte Juli ganze Landstriche zerstört wurden und mehr als 180 Menschen ums Leben kamen. Gott selbst habe mit den Opfern gelitten und sei in den Helfern erfahrbar gewesen, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, in seiner Predigt. Für den Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, zeigt sich trotz Zerstörung und Leid in der „übergroßen Hilfsbereitschaft“ der Menschen ein Hoffnungsschimmer. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief zu Solidarität und schneller Hilfe für die Betroffenen auf.
Unter den 180 geladenen Gästen im Aachener Dom waren zahlreiche Betroffene, Hinterbliebene, Seelsorger und Helfer, die teils sichtlich bewegt den berührenden Berichten von Betroffenen, christlichen Klagepsalmen und jüdischen und muslimischen Rezitationen folgten. So berichtete eine Pfarrsekretärin aus Bad Neuenahr-Ahrweiler von ihren Todesängsten in der Nacht zum 15. Juli. Verlesen wurde auch ein „Ahr-Psalm“, der den Toten der Lebenshilfe Sinzig sowie allen weiteren Todesopfern gewidmet ist.
An dem ökumenischen Gottesdienst nahmen neben Spitzenvertretern der Kirchen zudem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Präsidenten von Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht sowie die Ministerpräsidenten der betroffenen Bundesländer, Nordrhein-Westfalens Regierungschef Armin Laschet (CDU) und seine rheinland-pfälzische Amtskollegin Malu Dreyer (SPD), teil.
Bundespräsident Steinmeier sprach den Hinterbliebenen sein tiefes Beileid aus und dankte für die „überwältigende Hilfsbereitschaft“ insbesondere von Rettungsdiensten und vielen Freiwilligen. „In der Stunde der Not sind wir ein starkes, solidarisches Land“, sagte er. „Wir, das ganze Land, stehen an Ihrer Seite.“ Die Politik dürfe die Hoffnung der Menschen in den Katastrophengebieten auf Unterstützung jetzt nicht enttäuschen und müsse dafür sorgen, dass die von Bund und Länder zugesagten Hilfen von von bis zu 30 Milliarden Euro schnell fließen.
Mit Blick auf die nach wie vor andauernde Corona-Pandemie sprach das Staatsoberhaupt von einer „doppelten Katastrophenerfahrung“, die die Gesellschaft habe machen müssen. Es gelte nun, sich besser vorzubereiten für künftige Krisen. Dazu gehöre, den Klimawandel mit aller Entschlossenheit zu bekämpfen: „Auch wir in Deutschland müssen uns darauf einstellen, dass wir in Zukunft häufiger und heftiger von extremen Wetterlagen getroffen werden.“
Der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm rief ebenfalls zu einem Umdenken in Politik und Gesellschaft auf. Man müsse alles dafür tun, damit Menschen in der Zukunft solches Leid erspart bleibe. „Die Folgen des menschengemachten Klimawandels sind bei uns angekommen - das haben wir verstanden“, sagte der Theologe Er habe die Hoffnung, dass im Rückblick auf die Ereignisse einmal gesagt werden könne: „Die Dramatik dessen, was damals passiert ist, die Abgründe an Leid, haben unser Land zum Nachdenken gebracht.“ Nötig seien eine Veränderung der Prioritäten in der Politik und die Entwicklung eines klimafreundlicheren Lebensstils.
Bischof Bätzing sagte, das Ausmaß der immensen Zerstörung durch die Fluten in kürzester Zeit verschlage einem die Sprache. Viele Menschen müssten den Tod ihrer Angehörigen betrauern und hätten Hab und Gut verloren. Angesichts dieser Erfahrungen sei es wichtig, über das Erlebte zu sprechen, auch Gebete wie das Vaterunser und die biblischen Psalmen könnten eine Hilfe sein. Zudem brauche es „Zeit, bis Erfahrungen sacken, Verlust und Verletzungen verarbeitet werden können“.