Die fast zwei Millionen Mitglieder zählende Evangelische Landeskirche in Württemberg zieht Konsequenzen aus dem erwarteten Einnahmenrückgang bei der Kirchensteuer. Die Kirche wird bis 2025 ihre einzelnen Budgets jährlich um 0,9 Prozent kürzen, kündigte Finanzdezernent Martin Kastrup vor der in Stuttgart tagenden Landessynode an. Das Personal an Kirchenbeamten und Angestellten soll pro Jahr um ein Prozent abgebaut werden.
Der Vorsitzende des Finanzausschusses der Landessynode, Pfarrer Tobias Geiger, wies darauf hin, dass die Kirche angesichts von Lohnerhöhungen und Preissteigerungen bis 2025 ein reales Minus von mehr als zehn Prozent erwarte. Vom Absenken des Verteilbetrags an Kirchengemeinden um 0,7 Prozent pro Jahr wollte das "Kirchenparlament" nicht abrücken. "Ein Verzicht auf Kürzungen beim Verteilbetrag täuscht eine nicht vorhandene Stabilität vor und bremst kirchengemeindliche Reformprozesse", betonte der Ausschussvorsitzende.
Pensionen statt Investitionen
Zuvor hatte der Sprecher des Gesprächskreises "Offenen Kirche", Martin Plümicke, dem Oberkirchenrat "Mutlosigkeit" vorgeworfen. "Wir planen nur noch eine 'kontrollierte Abwicklung'", sagte er. "Enorme Haushaltsüberschüsse" von jährlich 60 Millionen Euro stecke man in den "Sparstrumpf" der Altersversorgung, anstatt sie in die kirchliche Arbeit zu investieren. Der Direktor des Oberkirchenrats, Stefan Werner, erwiderte, die Kirche sehe sich vor stark ansteigenden Pensionslasten. Das Geld dorthin zu geben, erhalte künftigen Generationen die notwendigen Spielräume.
Oberkirchenrat Ulrich Heckel informierte das "Kirchenparlament", dass es im ersten Jahr seit der Ermöglichung von Segnungsgottesdiensten für gleichgeschlechtliche Paare in der Landeskirche 36 solcher Feiern gegeben habe. Derzeit sind nach Heckels Angaben 56 der mehr als 1200 württembergischen Kirchengemeinden berechtigt, diese Segnungsgottesdienste durchzuführen - das ist eine von 22 Gemeinden. Bei 127 weiteren Gemeinden laufe dazu das Verfahren, so Heckel.
Weiter Geld für Flüchtlingsarbeit
Beschlossen hat die Synode, den Zuschuss für die Telefonseelsorge 2021 sowie 2022 um je 30.000 Euro zu erhöhen. Außerdem bittet das "Kirchenparlament" den Oberkirchenrat, einen Aktionsplan gegen Rassismus und Antisemitismus zu erarbeiten.
Für die Flüchtlingsarbeit werden weitere kirchliche Gelder zur Verfügung gestellt: Im Jahr 2024 zwei Millionen Euro, im Folgejahr derselbe Betrag, 2026 dann 1,5 Millionen Euro. Das Geld soll in den Kirchenbezirken gezielt für Integrationsmaßnahmen sowie zur Unterstützung bei der Wohnungs- und Arbeitssuche gegeben werden. Für die Bekämpfung von Fluchtursachen investiert die württembergische Landeskirche noch einmal drei Millionen Euro.
Gesetz gegen sexualisierte Gewalt
In einer Aktuellen Stunde rief Landesbischof Frank Otfried July dazu auf, alle Bemühungen zu unterstützen, damit Menschen weltweit eine Corona-Schutzimpfung erhalten. July schlug vor, beispielsweise an die Impfhersteller zu appellieren, Impfdosen zum Selbstkostenpreis zur Verfügung zu stellen. Uneins war sich die Synode in der Frage, ob es hilfreich sei, wenn Impfstoffhersteller den Patentschutz zumindest zeitweise aufgeben, oder ob dadurch vielleicht die Qualität der Impfstoffe leide und Menschen gefährdet werden könnten.
Des Weiteren behandelte die Synode den Entwurf eines Gesetzes, das besser vor sexualisierter Gewalt schützen soll. Es will unter anderem Leitungen von Dienststellen verpflichten, Risikoanalysen zu erstellen, in Verdachtsfällen zu intervenieren, Betroffene zu unterstützen sowie aufgetretene Fälle sexualisierter Gewalt aufzuarbeiten. Der Entwurf wird nun im Rechtsausschuss beraten.
Der baden-württembergische Beauftragte der evangelischen Kirche bei Landtag und Landesregierung, Volker Steinbrecher, rechnet mit einer weiteren "Entflechtung" von Kirche und Staat im Südwesten. Man könne nicht davon ausgehen, dass die "wohlwollende Aufmerksamkeit" von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gegenüber den Kirchen automatisch von einem Nachfolger übernommen werde, sagte er vor der Synode.