Berlin, Frankfurt a.M. (epd). Der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, hat sich zusammen mit weiteren evangelischen Theologen erneut für eine offene Debatte über mögliche Sterbehilfe in christlichen Alten- und Pflegeheimen ausgesprochen. Zwar dürfe die Suizidassistenz nicht zum „Regelangebot“ für alle in diakonischen Einrichtungen werden, schreiben die Bochumer Theologin Isolde Karle, Diakonie-Präsident Lilie und der Münchner Theologe Reiner Anselm in einem am Dienstag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ veröffentlichten Gastbeitrag. Doch müssten Sterbewünsche und Suizidabsichten ernstgenommen werden und seien weder zu moralisieren noch generell zu pathologisieren.
Der Präsident des Deutschen Caritasverbands Peter Neher bekräftigte seine Ablehnung einer möglichen Suizidassistenz in katholischen Einrichtungen. „Die Grundhaltung bei der Caritas ist: Suizid können wir nicht unterstützen“, sagte er laut Mitteilung in Berlin. Es könne nie ein Akt christlicher Barmherzigkeit sein, bei einem Sterbewunsch die Mittel zum Suizid bereitzustellen.
Anselm, Karle und Lilie hatten mit einem Gastbeitrag in derselben Zeitung im Januar eine innerkirchliche Debatte zur Suizidassistenz ausgelöst. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die katholische Deutsche Bischofskonferenz lehnen organisierte Suizidassistenz ab - unabhängig davon, in welcher Einrichtung diese stattfindet.
Ursprung der Debatte ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2020, das das Verbot organisierter - sogenannter geschäftsmäßiger - Hilfe bei der Selbsttötung kippte, das 2015 vom Bundestag beschlossen worden war.
Die drei Autoren sprachen sich nun erneut für eine mögliche Suizidassistenz auch in evangelischen Einrichtungen aus, wenn es medizinische und seelsorgerliche Schutzkonzepte gebe und die Möglichkeit nur für Sterbende und Schwerstkranke gelte. „Wir teilen die Ansicht, dass der assistierte Suizid die Ausnahme bleiben muss“, schreiben Anselm, Karle und Lilie.
Für ein Schutzkonzept seien die „behutsame Beratung und Seelsorge“ in diakonischen Einrichtungen grundlegend. Dadurch würden Suizidwünsche nicht länger verschwiegen, sondern könnten ausgesprochen und dadurch bearbeitet werden. „Ein offenes Gespräch dient viel besser der Suizidprophylaxe als eine Tabuisierung von Suizidwünschen“, schreiben sie. Und: „Selbstverständlich gehört der assistierte Suizid nicht in das reguläre Aufgabenportfolio der Diakonie, er kann immer nur äußerster Grenz- und Ausnahmefall sein.“ Die Initiative dürfe deshalb nie von der Einrichtung selbst ausgehen.
Caritas-Präsident Neher entgegnete, die Menschen müssten sich darauf verlassen können, dass sie in einer kirchlichen Einrichtung nicht mit der Möglichkeit assistierten Suizids konfrontiert würden. Für alle Einrichtungen sollte gelten, dass assistierter Suizid eben keine „reguläre“ Form der Leid- oder Altersbewältigung darstelle.