Hamburg (epd). Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Suizidassistenz hat die Sterbehilfeorganisation des früheren Hamburger Justizsenators Roger Kusch nach eigenen Angaben in 103 Fällen Hilfe zur Selbsttötung geleistet. In 144 Fällen habe der Verein der Suizidassistenz zugestimmt, in 103 Fällen sei sie bislang in Anspruch genommen worden, teilte der Verein "Sterbehilfe" mit Sitz in Zürich und Hamburg am Donnerstag mit. Die Mitgliederzahl der Organisation hat sich nach seinen Angaben seit dem Urteil auf 705 verdoppelt.
Das Bundesverfassungsgericht hatte vor einem Jahr, am 26. Februar 2020, nach der Klage unter anderem dieses Hamburger Vereins das 2015 verabschiedete Verbot organisierter - sogenannter geschäftsmäßiger - Hilfe bei der Selbsttötung gekippt. Die Karlsruher Richter urteilten, das Recht auf Selbstbestimmung umfasse auch das Recht, sich das Leben zu nehmen, und dabei die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Das damit gekippte Verbot zielte insbesondere auf Organisationen wie den Verein "Sterbehilfe", der zwischenzeitlich seine Aktivitäten in die Schweiz verlagert hatte, seit dem Urteil aber wieder in Deutschland tätig ist.
Der Verein von Kusch, der als Präsident vorsteht, bietet Suizidassistenz nur für Mitglieder an. Der Beitrag beträgt nach Angaben des Vereins 2.000 Euro für eine sogenannte Lebensmitgliedschaft. Bei Inanspruchnahme der Suizidassistenz ist den Angaben zufolge darüber hinaus ein Zusatzbeitrag zwischen 2.000 und 7.000 Euro fällig.
Im Bundestag wird derzeit in verschiedenen überparteilichen Gruppen über eine mögliche neue Regulierung der Suizidassistenz debattiert. Zwei konkrete Entwürfe liegen vor, die Ärzten die Verschreibung tödlich wirkender Medikamente erlauben sollen, aber eine vorherige Beratung vorsehen. Der Hamburger Verein sieht bereits darin eine Einschränkung und kündigt in der Mitteilung von Donnerstag an, gegebenenfalls wieder in Karlsruhe zu klagen.
Bei der Suizidassistenz werden einem Sterbewilligen tödlich wirkende Medikamente überlassen, aber nicht verabreicht. Dies wäre Tötung auf Verlangen, die in Deutschland unter Strafe steht.